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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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den Verdacht aus, der immer auch auf Dir lastete.
    Wie auch immer Du Dich entscheidest, ich werde es klaglos hinnehmen. Aber ich wünsche Dir – und mir – Weisheit, Milde und Klugheit in dem, was Du unternimmst, und hoffe, dass Du mir verzeihen kannst.
    Ich grüße Dich herzlich aus dem trübkalten, herbstlichen Lissabon und wünsche Dir alles erdenklich Gute.
    In Demut und Freundschaft,
    Beatriz
    Miguel ließ den Brief auf seinen Schoß sinken und grübelte darüber nach, wie er nun vorgehen solle. Beatriz stellte ihn in der Tat vor eine schwere Wahl. Es wäre schön gewesen, seiner Familie und Senhor Furtado triumphierend einen Schuldigen zu präsentieren. Aber die eigene Schwägerin zu überführen, die mit seinem Bruder und seinen Eltern unter einem Dach lebte, das war nichts, was ihn mit Freude oder Triumphgefühlen erfüllt hätte. Schon gar nicht angesichts der Ursachen, die Beatriz zu ihrem Tun verleitet hatten. Sie musste sehr verletzt worden sein und zutiefst erniedrigt, um so weit zu gehen, die eigene Familie zu bestehlen. Sie bedurfte der Unterstützung, nicht der Anklage.
    Aber sollte er sich wirklich damit zufriedengeben, Beatriz ihr Versprechen, sie wolle ihre Betrügereien einstellen, zu glauben? Sollte er seinem Vater, Bartolomeu und Senhor Furtado mitteilen, er habe den Fall aufgedeckt, die Diebstähle hätten nun ein Ende, und damit basta? Man würde ihn bedrängen, den Schuldigen preiszugeben, und täte er es nicht, würden alle glauben, er selber habe also doch die ganze Zeit dahintergesteckt. Wenn er Beatriz deckte, würde er damit ein schlechtes Licht auf sich selber werfen. Oder sollte er mit dem Finger auf sie zeigen, damit er seinen eigenen ramponierten Ruf reinwusch? Vielleicht gab es ja noch eine andere Lösung. Er musste in Ruhe darüber nachdenken.
    Ruhe war allerdings etwas, was ihm an diesem Tag nicht vergönnt zu sein schien. Erst versetzte ein Diener alle in helle Aufregung, weil er sehr krank war und die Symptome der Cholera zeigte – wobei sich nach genauerem Nachforschen ergab, dass die Sorge unbegründet war, denn der Bursche hatte nur am Vorabend dem Feni zu stark zugesprochen. Dann kam eine Lieferung mit neuen Möbeln, deren Standorte Miguel den Packern zeigen musste. Als die Männer mit großem Getöse und Gerumpel endlich alles an den richtigen Platz gestellt hatten und wieder abgefahren waren, wollte Miguel sich auf einen der neuen Stühle setzen und die Einrichtung bewundern, als abermals Besuch kam.
    Isabel begrüßte ihn frostiger, als er es von ihr kannte.
    »Nanu, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«, fragte er sie.
    »Eine indische. Sie war bildhübsch und hat behauptet, ein Mann, dessen Beschreibung haargenau auf dich passte, stelle ihr nach.«
    »Und das glaubst du ihr unbesehen?«
    »Warum sollte sie so etwas erfinden?«
    Miguel wären unzählige Gründe eingefallen. Er hatte bereits in Lissabon die unangenehme Erfahrung gemacht, dass ihm eine wildfremde Person Dinge unterstellte, die er nicht getan hatte. Warum sollte es hier anders sein? Es betrübte ihn jedoch, dass Isabel, die bei weitem nicht so leichtgläubig wie die meisten anderen Menschen war, die Schilderungen irgendeiner Person für glaubwürdig genug hielt, um ihn auf diese Weise damit zu konfrontieren.
    »Hatte die Laus auch einen Namen? Ich könnte dann versuchen, in den Tiefen meiner Erinnerung nachzuforschen, um welche meiner zahlreichen Liebschaften es sich handeln könnte, und …«
    »Das ist nicht komisch, Miguel. Die Frau wirkte durchaus nicht wie eine, die einfach so Lügen verbreitet. Sie war außergewöhnlich schön, mit grünen Augen, und sie sagte, ihr Name sei Amba.«
    Miguel stockte der Atem. »Amba?«
    »Genau. Du kennst sie also doch, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Und was?«
    »Was ist an ihren Behauptungen dran?«
    »Dass ich ihr nachstellen würde? Nichts. Wann hat eure Begegnung denn stattgefunden?«
    »Gestern am Nachmittag.«
    »Und genau um diese Zeit war ich ihr zufolge wieder hinter ihr her?«
    »Ja. Sie versteckte sich in unserem Hausdurchgang.«
    »Siehst du. Gestern war ich gar nicht in der Stadt, sondern draußen auf der Gewürzplantage. Wenn du es überprüfen möchtest – bitte, frag Senhor de Souza. Aber erwarte nicht, dass ich diesen Beweis dafür, dass du mich für einen Lump hältst, einfach ignoriere. Ich finde es äußerst beleidigend.«
    »Warum? Ich muss doch einem Verdacht nachgehen können, ohne dass du dich gleich gekränkt

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