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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe A. O. Heinlein
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musterte die Filmrolle wie ein seltenes Insekt. »Vierzig mal fünfzig? Soso! Wie viele Abzüge brauchen Sie denn? Hundertsiebzig oder mehr?« fragte er mit dem ihm eigenen Humor.
    Jeanne lachte. »Ein Abzug genügt mir, vorausgesetzt, er ist scharf.«
    Der Pole schmunzelte. »Wir machen nur scharfe Sachen hier unten, das wissen Sie doch! Bis wann soll er denn fertig sein?«
    »Bis heute mittag.«
    »Aha!« Er sah auf die Uhr. »Immerhin, noch über zwei Stunden Zeit. Das schaffen wir ja leicht. Wir haben nichts anderes zu tun. Diese eine lächerliche Zeitung, die wir hier pro Tag machen, lastet uns überhaupt nicht aus!«
    Jeanne ließ sich von diesem Sarkasmus nicht im geringsten beeindrucken.
    »Es ist wichtig, Zbigniew. Ich bin sicher, ihr könnt es dazwischenschieben.«
    »Ja, ja, schon gut. Ich rufe Sie an, wenn wir fertig sind.«
    Anderthalb Stunden später war der Berg Papier auf Jeannes Schreibtisch verschwunden, und nachdem sie eine Tasse Kaffee getrunken hatte, begann sie wegen der Redaktionskonferenz herumzutelefonieren. Als sie nach dem dritten Gespräch den Hörer auf die Gabel gelegt hatte, klingelte ihr Apparat.
    »Hier ist Zbigniew, Jeanne. Ihr Abzug ist fertig. Ein beeindruckendes Motiv, das muß ich schon sagen.«
    »Der Reiz liegt wie so oft im Detail«, lachte sie. »Ich komme sofort runter. Danke, Zbigniew!«
    Zehn Minuten später lag der Schwarzweißabzug auf ihrem Schreibtisch. Sie betrachtete das Bild. Ein Wandkalender. Über und über bemalt mit Strichzeichnungen, Notizen und Nummern. Was hatte Idwood gesagt? In der oberen linken Ecke! Eine Telefonnummer mit irischer Vorwahl. Da! Da war sie. 00.353 61 4844. Idwood hatte recht.
    Jeanne griff zum Hörer und rief einen alten Bekannten in der Hauptpost an.
    »Hallo, Henry, hier ist Jeanne. Ich brauche mal wieder einen Namen und eine Adresse.«
    Henry seufzte. »Welche Nummer?«
    »Es ist ein Anschluß in Irland. Die Nummer dort ist 61 4844.«
    »Okay, ich ruf dich zurück.«
    Jeanne widmete sich wieder der Betrachtung des Bildes von Charles Kossoffs Wandkalender. Erstaunlich, was man so nebenbei aufs Papier bringen konnte. Am meisten war sie von den verschlungenen Kreisen beeindruckt, die Kossoff in mannigfaltigen Variationen gezeichnet hatte. Er schien ein kreativer Charakter gewesen zu sein.
    Das Klingeln des Telefons unterbrach ihre Gedanken.
    »Henry hier. Hast du was zu schreiben? Der Anschluß gehört der Firma Interclone Laboratories Inc. Enniskillen Road, Limerick. Hilft dir das weiter?«
    Jeanne nickte aufgeregt. »Ich glaube schon, Henry. Vielen Dank für deine Hilfe.«
    »Ist okay! Bis dann.«
    Ein Labor, dachte Jeanne, sieh an! Da hatte Idwood wieder einmal den richtigen Riecher gehabt, denn nach seiner Meinung hatte Kossoff von New Haven aus mit der Firma telefoniert, in der er gearbeitet hatte, bevor er nach Yale gewechselt war. Und so viel verstand Jeanne von der Materie, um schon am Namen der Firma zu erkennen, daß dort keine Stricknadeln produziert wurden.
    Interclone! Allein der Name faszinierte sie. Möglicherweise lagen der New Havener Affäre Vorfälle zugrunde, die sich während Kossoffs Aufenthalt in Limerick ereignet hatten. Das wilde Tier der journalistischen Neugierde fiel sie an. Vielleicht sollte sie sich diese Firma einfach mal ansehen! Eine Reportage über eine Biofirma machte sich allemal gut. Und außerdem konnte sie Idwood mit umfassenden Informationen versorgen, sobald er aus Wien zurück sein würde. Sie stand auf und ging in Micheals' Büro.
    »Hör zu, Kevin, ich möchte nach Irland fahren.«
    Den Chefredakteur traf fast der Schlag. »Waaas? Wohin willst du fahren? Nach Irland? Wieso? Urlaub? Abgelehnt! Ich brauche dich hier.«
    »Bitte, beruhige dich doch! Ich will keinen Urlaub, verdammt. Ich will eine Reportage machen, über eine Biofirma in Limerick.«
    »Eine Reportage über eine Biofirma? Warum denn das, zum Teufel?«
    »Ich habe da ein paar Hinweise, daß in dieser Firma einiges faul ist! Ich will mich mal umsehen, mit ein paar Angestellten reden und so weiter.« Jeanne blickte ihm bittend in die Augen. »Komm, laß mich fahren! Ich muß mal wieder raus. Hin und wieder geht mir dieser Schreibtischkram unglaublich auf die Nerven. Und das wäre doch jetzt eine gute Gelegenheit, mich abzureagieren. Sei lieb, Kevin, bitte!«
    »Na hör mal, und was passiert mit der Arbeit hier? Du hast doch heute morgen gesehen, wie es aussieht, wenn du nur zwei Tage fehlst. Und diese Sache in Limerick dauert ja

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