Der Infekt
Schultern. »Ich wollte, ich könnte das so einfach ausschließen! Aber ich bin hier, um ihn zu suchen. Und vielleicht können Sie mir dabei helfen, Mrs. Meehan. Er hat mir geschrieben, daß er Aufzeichnungen gemacht und Ihnen übergeben hat. Ist das so?«
»Ja, das stimmt. Er hat mir jeden Tag einen Briefumschlag gegeben und mir aufgetragen, diese Umschläge jemandem auszuhändigen, der Miss Claytons Namen kennt, falls ihm etwas zustoßen sollte. Ich merke jetzt, daß die Anweisung nicht ganz präzise war. Soll ich Ihnen die Aufzeichnungen geben oder nicht?« Sie machte einen ziemlich ratlosen Eindruck.
Idwood Green legte ihr beruhigend eine Hand auf den Arm. »Bitte, bleiben Sie ganz ruhig. Wir werden die Sache schon wieder richten. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie lassen mich einen Blick in die Aufzeichnungen werfen, damit ich feststellen kann, ob sie etwas über seinen letzten Aufenthaltsort enthalten. Dann nehmen Sie sie wieder an sich. Einverstanden?«
Sie nickte.
»Gut«, meinte Green. »Noch eine Frage. Wann haben Sie Stan Lundquist zum letzten Mal gesehen?«
»Vor drei Tagen, am Morgen, als er zur Arbeit fuhr. Er ist abends nicht zurückgekommen und auch die nächsten Tage nicht.«
»Hm, Sie sagen, er fuhr zur Arbeit? Womit? Hatte er ein Auto?«
»Nein, kein Auto. Er hatte sich ein altes Motorrad gekauft, vor zwei Wochen.«
Der Engländer mußte leicht grinsen. Der gute Stan war eben ein echter Zweiradfreak. Diese gräßlichen Dinger, auf denen er auf Korfu immer herumfuhr …
Maureen Meehan war aufgestanden und hatte eine alte Keksdose aus dem Küchenschrank geholt. Sie nahm den Deckel ab und zog einige Briefumschläge hervor, die als einzige Beschriftung jeweils ein Datum trugen.
Idwood suchte den Umschlag mit dem jüngsten Datum heraus. Stan hatte ihn offensichtlich vor vier Tagen beschriftet. Das DIN-A4-Blatt im Innern trug nur einige wenige Zeilen.
Heute nacht werde ich mir Blunstones Büro ansehen. Vielleicht finde ich dort die Beweise dafür, daß er wieder einmal in krumme Geschäfte verwickelt ist, wegen derer ihm Stephen Montgomery auf den Fersen war und deshalb sterben mußte.
Green war sich über die wenig erfreuliche Folgerung, die sich aus diesen Zeilen ergab, sofort im klaren. Sie hatten Stan erwischt! Und wenn sie Montgomery schon umgebracht hatten, dann gab es weiß Gott keinen Grund, besonders optimistisch zu sein. Idwood fühlte sich plötzlich ausgesprochen mies. Warum bloß war dieser lange Blödmann nicht auf Korfu geblieben? Da wäre die Chance, am Leben zu bleiben, deutlich größer gewesen.
Maureen Meehan schien ihm die Sorge um den Freund anzusehen. »Was ist los, Mr. Green, was machen Sie für ein Gesicht? Ist er in Gefahr?«
»Es könnte sein, Mrs. Meehan. Aber hoffen wir das beste! Ich werde versuchen, ihn zu finden. Drücken Sie mir die Daumen. Wenn ich etwas in Erfahrung gebracht habe, sage ich Ihnen Bescheid, einverstanden?« Er stand auf und reichte ihr die Hand.
»Ich wünsche Ihnen Gottes Segen bei Ihrer Suche. Hoffentlich finden Sie ihn!«
»Das hoffe ich auch!« gab Green zurück.
Zwanzig Minuten später erreichte er den Parkplatz der Interclone Laboratories am Stadtrand von Limerick. Es war schon spät, und nur noch wenige Fahrzeuge standen dort. In der vom Pförtnerhaus am weitesten entfernten Ecke, direkt am Buschwerk, erspähte der Engländer ein betagtes Enfield-Motorrad, das mit einer schweren Kette an den Absperrzaun gekettet war.
Wenn die Kerls den Langen wirklich festgenommen und dann das Motorrad einfach hier vergessen hatten, dann waren das ziemliche Stümper. Aber auch Stümper können genügend Unheil anrichten, überlegte Green, während die Bilder einiger europäischer Regierungschefs vor seinem inneren Auge Revue passierten.
Entschlossen marschierte er zum Pförtnerhaus hinüber. Der Wachmann sah fern, und es dauerte eine Weile, bis Green ihn auf sich aufmerksam gemacht hatte.
»Ja, was ist denn?« fragte er unfreundlich.
»Guten Abend!« erwiderte der Engländer. »Vielleicht können Sie mir helfen. Ich bin mit einem Bekannten verabredet, Dr. Lundquist. Leider habe ich ihn zu Hause nicht angetroffen. Könnten Sie vielleicht feststellen, ob er noch in seinem Büro ist?«
»Dr. Lundquist, sagen Sie? Moment, bitte!« Er betätigte einige Tasten auf einem Computerterminal. Dann wartete er auf die Bildschirmausgabe. »Ah, da! Nein, Sir, Sie haben Pech. Dr. Lundquist hat seit drei Tagen Urlaub.«
»Hm«, machte Green. »Aber … wir
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