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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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mündete in einen kegelförmigen Kopf mit hervorquellenden Augen. Innerhalb weniger Minuten hatte sich ungefähr ein Dutzend Sleens auf dem Felsen versammelt.
    »Euch, die ihr nicht an der Küste lebt, mögen sie wundervoll erscheinen, aber für uns sind sie nichts als Ungeziefer«, verkündete die Wirtin. »Sie sind Vielfraße: Zuerst fressen sie die Fische im Meer, und dann zerreißen sie unsere Netze und holen sich den Fang der Fischer. Sie zerren und ziehen an den Netzen, und oftmals haben die Männer, die das Netz einholen wollten, Finger dabei eingebüßt. Aber das ist nichts im Vergleich zu den Fischern, die ertranken, weil sie ein Sleen mitsamt Netz über Bord zog.«
    »Da draußen hocken unendlich viele«, sagte Malk und wies auf den Felsen. »Wenn sie euch derart lästig fallen, warum gehen die Männer nicht mit Speeren auf sie los? Man kann alle Teile eines Sleenkörpers verwerten, und gut bezahlt werden sie auch noch!«
    Die Frau schnaubte verächtlich und schüttelte den Kopf, wobei die Halskette aus Knochen wild klapperte. »Sei nicht albern! Es bringt Unglück, wenn man ein Sleen auf dem Felsen tötet. Wenn wir das wagten, würden wir nie wieder einen Fisch fangen. Seht nur, da kommt der große Bulle.«
    Zum ersten Mal hörte Hael das Wort nicht im Zusammenhang mit dem Sternbild. Er erwartete, eine gehörnte Kreatur zu sehen. Stattdessen erblickte er ein Sleen, das sich deutlich von seinen Artgenossen unterschied. Der hintere Teil des Körpers glich ihnen zwar noch, aber der Hals und die Schultern wurden von einer Mähne aus goldfarbenem Haar bedeckt. Aus dem Oberkiefer ragten zwei armlange Stoßzähne hervor, die im Sonnenlicht weiß aufglänzten. Auf klauenbewehrten Beinen watschelte der Bulle zur Spitze des Felsens hinauf. Oben angekommen, stieß er einen herausfordernden, ohrenbetäubenden Schrei aus.
    »Also das«, staunte Danats, »ist ein wirklich schönes Tier. Ich wollte schon immer einen männlichen Sleen sehen. Wenn so etwas die Fischer belästigt, dann gehört das einfach zum Lauf der Natur.«
    Die Wirtin, die verstohlen seinen Nacken gekrault hatte, versetzte ihm einen Klaps auf den Rücken.
    »Schäm dich! Wie kannst du ein Wesen loben, das deine Gastgeber plagt! Als nächstes wirst du noch ein Loblied auf die Piraten anstimmen, die von Zeit zu Zeit mit ihren schnellen Schiffen anlegen und Frauen und Schätze rauben.«
    Danats verbiss sich die Bemerkung, dass ein Schiff, das eine Frau vom Umfang der Wirtin rauben wolle, über einen ungewöhnlich großen Laderaum verfügen müsse. Stattdessen sah er sie bewundernd an.
    »Bei uns ist es Sitte, alle Lebewesen zu verehren, die eine Zierde ihrer Rasse sind und über ganz besonders hervorstechende Merkmale verfügen. Seien es die Krallen einer Raubkatze, die Wolle eines Quils, die Schwanzfedern eines Mordvogels oder, bei einer Frau, die …«
    Er wurde beim Arm gepackt und in die Höhe gezogen. »Ihr zwei könnt euch in Ruhe weiterunterhalten«, erklärte die Wirtin. »Der hier geht mit mir nach hinten. In der Zwischenzeit habt ihr ausreichend Essen und Wein, um euch gütlich zu tun.«
    Mit einem dümmlichen Grinsen ließ sich Danats davonschleppen. »Kommt und rettet mich, wenn ich zu lange fortbleibe!« rief er und winkte Hael und Malk zu.
    Hael biss in eine Frucht und zuckte ob des bitteren Geschmacks zusammen. »Mein Bruder liebt bodenständige Dinge: Essen, Frauen und das Trinken. Geistige Gespräche langweilen ihn dagegen.«
    »Das ist bei den meisten Männern der Fall«, erwiderte Malk. »Der größte Teil der Matrosen ähnelt deinem Bruder, aber sie sind weniger unterhaltsam. Auf meinen Reisen stellte ich fest, dass die meisten Männer Sklaven ihres Magens und ihrer Lenden sind, den Kopf aber selten gebrauchen. Doch Seeleute glauben an Götter und Geister, die sie von Geburt an kennen oder im Laufe ihres Lebens kennen lernen. Eigentlich sind wir berühmt für die vielen unterschiedlichen Glaubensrichtungen, von denen etliche nur den Seefahrern bekannt sind.«
    »Richtet ihr eure Aufmerksamkeit eher auf die Götter oder auf die Geister?« fragte Hael gespannt.
    »Wenn es um wichtige Dinge geht, rufen wir die Götter des Windes und des Ozeans an. Wir bitten um gutes Wetter, um günstige Winde, und um Schutz vor Seeungeheuern. Daneben gibt es noch weniger mächtige Gottheiten, die sich um erfolgreichen Handel und den Schutz vor Piraten kümmern. Bei Kleinigkeiten versuchen wir, uns mittels Amuletten, Gebeten, Zaubersprüchen und kleinen

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