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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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freier?«
    »Ich sehe nicht nur das Leben, ich will danach greifen. Noch bin ich nicht zu alt dazu.«
    »Du wirst nie alt werden, Meizhu, ich sehe dich immer jung.«
    Sie fühlte, wie ihr Herz schneller klopfte. Es war nie Tongs Art gewesen, ihr Liebeserklärungen zu machen, auch nicht in den frühen Jahren ihrer Ehe, und jetzt im Alter sagte er einen solchen Satz, der tiefer in sie eindrang, als hätte er gesagt: »Ich liebe dich.«
    »Ich sehe dich immer jung« – das war ein Wort, das die Dauerhaftigkeit seiner Liebe bezeugte.
    »Jian liebt ein Mädchen«, sagte Tong, »und alles, was er sagt, ist eine Mauer, die er um sie zieht. Er muß sie wirklich lieben, wenn er seinen Vater mit Lügen überhäuft. Aber wer ist sie? Wo wohnt sie? Welchen Stand hat ihre Familie?«
    »Ist das wichtig, wenn Jian glücklich ist?«
    »Ich möchte, daß er mir das Mädchen vorstellt.«
    »Er wird sie weiterhin verstecken, solange du ihn zwingen willst, Yanmei zu heiraten.«
    »Er kann sie nicht ein ganzes Leben lang vor uns verbergen. Ob heute oder in ein paar Monaten, er wird sie einmal zeigen müssen. Meizhu«, Tong nahm ihre Hand und zog sie an seine Brust, »sprich du mit unserem Sohn. Ich bitte dich.«
    »Du bittest mich? Du ordnest nicht mehr an? Shijun, du kannst doch nicht aufhören, ein echter Tong zu sein!«
    »Auch Jian ist ein echter Tong und doch anders als ich. Ich bin nicht mehr stark genug, Meizhu.« Er nahm ihre Hand von seiner Brust, führte sie an seine Lippen und küßte die Handfläche. Sie konnte sich nicht erinnern, daß er das jemals getan hatte. »Der Streit mit Jian zermürbt meine Kraft. Ich will Frieden in meinem Haus. Mein Sohn soll mir sein Mädchen bringen.«
    »Und wenn sie in deinen Augen nicht würdig ist, eine Tong zu werden?«
    »Mein Sohn liebt keine Unwürdige, denn er ist mein Sohn.«
    »Es muß etwas Besonderes an ihr sein, denn warum versteckt er sie vor uns?«
    »Sag ihm, daß ich zu Yanmeis Vater gehe und das Versprechen löse. Dann wird er sehen, daß er Vertrauen zu seinem Vater haben kann.«
    »Warum sagst du es ihm nicht selbst?«
    »Soll ich zweimal mein Gesicht verlieren?« Tong blickte Meizhu bittend an, und große Qual lag in seinen Augen. »Ich werde im Spiegel nur noch einen Fleck sehen.«
    »Du wirst der große, stolze Tong bleiben, der du bist. Niemand kann dir dein Gesicht nehmen.« Meizhu legte sich in ihre Kissen zurück, doch ließ sie ihre Hand auf Shijuns Brust. Sie spürte, daß ihm die Berührung wohl tat. »Ich werde morgen mit Jian sprechen«, sagte sie. »Zuerst muß ich sein Mißtrauen verjagen, denn er wird nicht glauben, daß es keinen Streit mehr gibt.«
    »Was ist das für ein Mädchen?« fragte Tong zum wiederholten Mal. »Gefällt es dir, daß sie mit Jian schläft?«
    »Die heutige Jugend hat andere Begriffe von Liebe, als wir sie hatten. Von einer Konkubine wurde keine Moral verlangt, aber eine Braut hatte unter dem Schleier jungfräulich zu sein. Darüber lacht man heute. Die Liebe hat sich von allen Zwängen befreit. Wir wissen nicht, ob das ein Fortschritt ist.« Sie löschte das Licht der Nachttischlampe, und als sie ihre Hand von Tong wegziehen wollte, griff er danach und hielt sie fest. Und so schliefen sie mit dem Gefühl ein, einen wichtigen Schritt in die Zukunft ihres Sohnes getan zu haben.
    Jian saß schon am Tisch und brach ein Dampfbrötchen in Stücke, als Meizhu am frühen Morgen in das Eßzimmer kam. Sie setzte sich Jian gegenüber und legte die Handflächen aneinander. »Ich habe dir etwas von deinem Vater zu sagen«, begann sie, und Jian hob den Kopf und sah sie erstaunt an. Es war das erste Mal, daß seine Mutter Wünsche seines Vaters übermittelte.
    »Was hat mein Vater zu sagen?« fragte Jian.
    »Seine Gedanken haben ihm in der Nacht den Schlaf geraubt.«
    »Ich bedauere es, wenn es meinetwegen geschah«, erwiderte Jian kühl. »Aber ich kann es nicht ändern.«
    »Du kannst es. Das ist es, was ich dir von deinem Vater sagen soll. Er ist zu der Erkenntnis gekommen, daß alles, was du ihm von dir und deinen Mädchen berichtet hast, nur in deiner Phantasie vorhanden ist. Du hast es nur gesagt, um dahinter ein einziges Mädchen zu verbergen.«
    »Mein Vater hätte gut daran getan, zu schlafen statt zu denken.«
    »Er ist in großer Sorge, denn er liebt dich mehr als alles andere auf der Welt. Du bist sein ganzer Stolz. Mit dir werden die Tongs weiterleben, und die Frau, die du dir ausgesucht hast und die die Mutter deiner Kinder sein soll,

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