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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Warum soll ich in Dali eine Azalee pflücken, wenn vor meiner Tür eine Rose blüht?«
    »Es gibt also ein Mädchen«, sagte Meizhu bestimmt. »Ein Tong liegt in den Armen einer unwürdigen Person. Dabei weißt du, daß du der schönen und ehrbaren Yanmei versprochen bist.«
    »Ein Mädchen, das in meinen Armen liegt, ist nie unwürdig! Meine Liebe schenkt ihr eine Ehre.«
    »Liebe! Sprich das heilige Wort nicht aus im Zusammenhang mit diesen Mädchen. Was dich zu ihnen führt, ist der Naturtrieb. Sie sind Huren, auch wenn sie in keinem Bordell wohnen.«
    »O Mutter, was für Worte aus deinem Mund!« Jian versuchte wieder ein Lachen, aber es blieb ihm im Hals stecken. »Seit deiner Jugend hat sich in China viel geändert. Du bist rein in die Ehe gegangen, und dieser Tong Shijun, den du vorher nie gesehen hast, hat von dir Besitz genommen, und du bist ein Teil seines Hauses geworden. Er gab dir Weisungen, und du hast gehorcht. Er war der Herr, und du hast den Nacken vor ihm gebeugt. Er hat zwei Kinder gezeugt, und du warst ihm zu Diensten, weil er es wollte.«
    Meizhu erstarrte. »Ich habe deinen Vater geliebt und liebe ihn noch immer.«
    »Weil du nichts anderes kennst und es deine Pflicht ist. Und nicht anders ist Yanmei. Aber ich will keine Dienerin im Bett, sondern eine Geliebte voller Leidenschaft.«
    »Du willst ein solches unmoralisches Mädchen heiraten?«
    »Ich suche noch«, wich Jian aus. »Es ist wie beim Wein – ich probiere noch alle Sorten. Eure Moral ist muffig und verschimmelt und geheuchelt und verlogen.«
    »Wenn dein Vater diese schrecklichen Worte hören würde – «
    »Ich werde sie ihm ins Gesicht sagen, wenn er es wünscht.« Jian erhob sich von dem Sofa und kam um den Tisch herum. »Ich werde ein Bad nehmen«, sagte er und streckte der Mutter seine Hände entgegen. »Riech mal! Es ist das billige Parfüm eines Vorstadtmädchens, aber ihr Körper ist wie eine Orchidee.« Meizhu wich zurück, Ekel lag in ihrem Blick, aber Jian folgte ihr mit ausgestreckten Armen. »Ich lag auf ihr wie auf einer blühenden Wiese, und ihre Finger glitten über meinen Rücken wie kleine Schmetterlinge, und sie wand sich wie eine Schlange.«
    »Was ist aus dir geworden?« stammelte Meizhu und schlug Jians Arme zur Seite, die ihr den Weg aus dem Zimmer verwehrten.
    Es war, seit er denken konnte, das erste Mal, daß sie ihn schlug, und er nickte und lachte, klatschte dann in die Hände und rief: »Sei gelobt, Mutter! Du kannst auch eine Herrin sein und nicht nur eine goldbehangene Sklavin des großen Tong! Behalte diese Wandlung bei, werde eine Persönlichkeit! Und habe keine Angst! Dein Mann wird zwar seine Welt nicht mehr verstehen, aber du hast einen Schritt in die Freiheit getan. Wir leben von den kleinen Schritten – sie machen uns stärker als ein großer Sprung.« Jian nickte seiner Mutter ermunternd zu, die wie erstarrt dastand. »Ich bade jetzt, und einen Hunger wie ein Tiger habe ich auch.« Er ging, badete kurz und kehrte dann in das Wohnzimmer zurück.
    An der Tür blieb er stehen.
    Tong Shijun war heimgekommen, saß auf dem Sofa, trank eine Tasse Tee, und der Blick, mit dem er Jian empfing, verhieß nichts Gutes. »Mein Sohn gibt sich die Ehre, zu Hause zu sein«, eröffnete Tong die Schlacht. »Der Herr Student liebt ein freies Leben.«
    »Du hast es erfaßt und ausgesprochen, Vater«, erwiderte Jian. »Wie schnell dir doch diese Erkenntnis gekommen ist!«
    »Ich erkenne nur, daß ich einen Sohn habe, der vor der Pflicht davonläuft und sich irgendwo herumtreibt. Ein Tong als Wanderbursche!«
    »Mich braucht keiner auf meine Pflichten hinzuweisen. Ich weiß, was ich tue.«
    »Wo warst du die letzten drei Tage?« Die Frage war wie ein Hieb.
    Jian biß die Zähne aufeinander, aber dann antwortete er: »Ein Wanderbursche zieht mit dem Wind und folgt dem Flug der Vögel.«
    »Ich fordere eine Erklärung!« schrie Tong plötzlich unbeherrscht.
    »Du forderst? Hast du wirklich ›fordern‹ gesagt?«
    »Ja!«
    »Dann nimm zur Kenntnis, daß ich mich weigere, dir eine ›Erklärung‹ zu geben.«
    »Du lehnst dich gegen deinen Vater auf?«
    »Nein! Ich wehre mich gegen einen Tyrannen.«
    »Bist du noch mein Sohn?« schrie Tong erneut. »Vergißt du alle Ehrerbietung?«
    »Nimm zur Kenntnis, daß du nicht mehr ein Mandarin bist wie deine Vorfahren, sondern ein Kommunist. Ein kommunistischer Professor der Volksrepublik China. Und ich bin der kommunistische Sohn eines Kommunisten und sage dem Kommunisten, der

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