Der Jade-Pavillon
Barfußarzt, blieb im Dorf und lebte vom Vertrauen seiner Bauern. Und viele Krankheiten heilen, weil man an die Heilung glaubt. Darin hatte Zhou Erfahrung sammeln können.
»Natürlich kannst du wieder gehen, aber nicht sofort.«
»Ich bin mit diesem Fuß gekommen, und ich werde mit diesem Fuß auch wieder gehen«, sagte der Bauer. »Es ist keiner da, der das Vieh füttert und das Unkraut hackt. Mach mir den Verband, Zhou.«
Jian sah ein, daß es verschwendete Zeit war, ihm die Folgen einer falsch behandelten Verstauchung zu erklären. Mittlerweile kannte er die Starrköpfigkeit der Bauern; die Felder waren ihr Leben, und auch mit einem verkrüppelten Fuß kann man Gemüse pflanzen, und krumm wurde der Rücken sowieso.
So wartete Jian, bis Zhou den Breiverband angelegt hatte und der Bauer wirklich ohne einen Laut des Schmerzes aus dem Zimmer humpelte und dabei einen triumphierenden Blick auf Jian warf. Zhou wusch sich die Hände in einem Zinkeimer und kehrte zur Theke zurück.
»Wollen Sie mir mein Gesicht nehmen, Genosse Tong?« fragte er, aber es klang weder vorwurfsvoll noch drohend, sondern eher hilflos. »Ich bin ein guter Barfußarzt, das sagen sie alle.«
»Du wirst der beste der ganzen Gegend sein, wenn ich dir bei meinem nächsten Besuch einen Karton westlicher Medizin mitbringe.«
»Ich danke Ihnen, Genosse Tong.« Zhou verneigte sich im Sitzen. »Ich habe noch gelernt, daß es in der traditionellen chinesischen Medizin für jede Krankheit die heilenden Pflanzen gibt und daß die Erzeugung von innerer Hitze die Krankheiten wegbrennt.«
»Es gibt tausend Krankheiten, die du nicht kennst, Zhou.«
»Sie werden nicht nach Huili kommen. Unsere Bauern kommen mit zehn, höchstens zwanzig Krankheiten aus, und für jede habe ich meine Medizin.« Zhou hob die Schultern, als wolle er sagen, daß keiner seinem Schicksal entrinne. »Sterben müssen wir alle, und die Zeit, wann wir gehen müssen, liegt nicht in unserer Hand.«
»Die moderne Medizin kann sie verlängern. Was man heute alles chirurgisch kann, ist vor zwanzig Jahren noch eine Utopie gewesen.«
Zhou winkte mit einem Gesicht ab, das geradezu Ekel ausdrückte. Wie für viele Chinesen war auch für ihn der menschliche Körper unantastbar. Ihn aufzuschneiden war ein Frevel, und es gab Gegenden, wo sich die Leute wehrten, wenn man ihnen eine Spritze geben wollte, denn schon der Einstich einer Nadel ist eine Verletzung der Persönlichkeit. Nur eine Ausnahme gab es, die Akupunktur. Sie war ein Erbe aus Jahrtausenden.
»Schneiden Sie auch Menschen auf, Genosse Tong?«
»Ja. Es gehört zu unserem Studium. Ich habe die Absicht, Chirurg zu werden.«
»Schrecklich. Sie könnten einen Bauch aufschneiden, so wie man ein Schwein zerteilt? Wo bleibt da die Würde des Menschen?«
»Die Krankheit ist mächtiger als die Würde. Mit Stolz heilt man keinen Nierenkrebs, aber mit dem Skalpell. Der Chirurg ist der Kämpfer in der ersten Reihe. Wir sehen den Tod und trennen ihn vom Körper.« Jian sah Zhou herausfordernd an. »Willst du nicht auch lernen, ein Kämpfer gegen den Tod zu sein? Ich will dir gern einige Operationen zeigen.«
»Sie werden in Huili keinen finden, der sich freiwillig aufschlitzen läßt.«
»Wir werden es an einem Schwein üben.«
Zhou sah Jian mit schrägem Kopf ab. »Dazu brauche ich keinen studierten Herrn, das kann mir jeder Schlachter zeigen, jeder Bauer. Ich sage ja: Chirurgen sind nichts als Metzger.«
Es hatte keinen Sinn, noch weiter mit Zhou darüber zu reden. Jian verließ die Praxis des Barfußarztes und kehrte zu Huang zurück.
An diesem Tag blieben Lida und Jian in ihrem neuen Haus und verließen es nur, wenn Huang an die Tür klopfte und zum Essen rief. Obwohl die Herbstsonne noch wärmte, legte Lida Maisstroh und große Holzstücke in das Feuerloch des Kamins und steckte ihn an, und als die Flammen loderten und das Holz knackte, saß sie davor, hielt die Hände gegen die sich aufheizenden Steine und lachte Jian glücklich an.
»Wir werden nie mehr frieren und drei Hosen und drei Pullover anziehen müssen, und wir brauchen die dicken Fellstiefel nicht mehr und können uns ausziehen, ohne zu zittern, und müssen nicht mehr in den Kleidern schlafen und uns morgens mit dem heißen Tee auftauen. Wir können nackt im Bett liegen, und es wird warm sein, als lägen wir in der Sonne.«
Jian, der in seinem Auto immer eine kleine Reiseapotheke mitführte, um helfen zu können, wenn er auf der Straße auf einen Notfall stieß, fand
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