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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geschändet.«
    »Und sie ist meine Mutter.«
    »Das ist ein gutes Motiv.« Huang kam zum Feuer, um das Jinvan und Lida saßen und den Rest des Wildreises aßen. Sie tauchten ihn in eine kleine Porzellanschale mit Sojasoße und schlürften ihn in sich hinein. »Würfeln wir um ihn!«
    Huang holte aus einem einfachen roten Lackkasten vier Würfel aus gebleichtem und poliertem Büffelhorn, wog sie in der geschlossenen Faust und warf sie dann auf den festgestampften Lehmboden. Einmal die Sechs, einmal die Fünf. Er sah seinen Sohn triumphierend an und rieb sich die Hände, als habe er den Teil der Reisernte, die er auf dem Markt von Xiaguan jedes Jahr verkaufte, um einen guten Preis verkauft. »Mach es nach, Sohn!« sagte er fröhlich.
    Tifei ließ die Würfel in seiner Hand rollen, atmete laut auf und warf sie dann auf den Boden. Eine Vier und eine Eins.
    »Das ist sehr gering!« rief Huang. »Ich töte also Chang. Aber einigen wir uns auf eine Art Mithilfe: Ich schneide ihm die Kehle durch, und du trägst ihn zum Brunnen und versenkst ihn dort. Dann hat jeder etwas für die Mutter getan.«
    Huang blickte auf die zerbeulte Blechuhr, die an der Wand hing, neben einem Plakat, das eine Szene aus einer traditionellen chinesischen Oper zeigte und der einzige farbige Schmuck im Zimmer war.
    Noch eine Stunde.
    Auf dem Bett begann Chang ein lautes, pfeifendes Schnarchen. Er hatte die Beine weit gespreizt, die Hose spannte sich und gab deutlich die Formen seines Geschlechtes kund. Ich schneide ihm die Kehle durch, dachte Huang und fühlte es in sich eiskalt werden. Erst die Kehle, und dann schneide ich ihm auch noch den Schwanz ab, diesen verdammten Schwanz, der schon so viele Frauen und Mädchen vergewaltigt hat. Und der Totengott würde ihn danach fragen: »Wo ist dein Geschlecht, Chang?«, und Chang mußte dann schamhaft antworten: »Sie haben es abgeschnitten und verbrannt. Es war meine zweite Waffe: In der rechten Hand hielt ich die Pistole, in der Hose war mein Schwanz. Damit habe ich ganze Provinzen erobert. Sie haben mich eben total entwaffnet.« Und der Totengott würde laut lachen und Chang in die Abteilung der Eunuchen einweisen. Gab es eine größere Schande für Chang als eine solche Behandlung?
    Als der Zeiger der Uhr anzeigte, daß die Stunde vergangen war, trat Jinvan vor den stumm auf einem Schemel hockenden Huang und hielt ihm das scharfe Kohlmesser entgegen. Huang nahm es, fuhr mit dem Daumen über die Klinge und nickte. Es war dunkel im Haus, nur von der Feuerstelle her kam der Schein des Holzkohlenfeuers.
    Lida lag auf ihrem Deckenlager und schlief fest. Jinvan hatte ihr in den grünen Tee etwas Reisschnaps gemischt, und der heiße Alkohol verschaffte Lida einen fast betäubenden Schlaf. »Sie soll es nicht mitansehen«, hatte Jinvan zu Huang gesagt. »So ein Anblick bleibt in der Seele des Kindes bis zu seinem Tod. Wir wollen ihr sagen, Chang sei im Morgengrauen abgerückt.«
    »Aber seine Soldaten sind ja noch da.«
    »Kann ein so hoher Kommissar nicht allein fahren?«
    »Er kann, wenn er seinen Wagen mitnimmt. Aber Changs Wagen steht vor dem Schulhaus. Geht ein Kommissar zu Fuß? Wer wird das glauben?«
    Jetzt sagte Huang: »Lassen wir den Dingen ihren Lauf.« Er erhob sich von seinem Holzschemel, umfaßte den Griff des großen, breiten Messers und ging zu Chang hinüber. Dessen Schnarchen füllte die Stille des Hauses. Durch das Fenster und die offene Tür zum Innenhof fiel das milchige Licht eines Viertelmondes und ließ die Konturen des Schlafenden ahnen. Nur sein Kopf lag etwas im Helleren, und es war genau die Stelle an der Kehle, durch die Huang das Messer ziehen wollte.
    Er betrachtete den Kopf eingehend, und viele Gedanken schossen durch sein Hirn. Nimmt man's genau, hat er Jinvan nicht angerührt, sagte sich Huang. Es waren seine Rotgardisten, die ›kleinen Generäle Maos‹. Sie haben im ganzen Dorf gewütet, haben Brände gelegt, die Bauern verprügelt, ihre Frauen vergewaltigt, die Vorräte geplündert, die Tiere abgeschlachtet, Tifei gefoltert. Er hat das alles nicht getan, der Kommissar Chang Lifu, aber es ist nun mal die Regel, daß ein Kommandeur für seine Truppe verantwortlich ist. Wozu ist er sonst ihr Kommandeur? Andererseits, wenn man es ohne Haß betrachtet, schläft er in meinem Bett voll Vertrauen, ohne Angst, ohne den geringsten Zweifel, daß zwischen uns Friede eingezogen ist; er schläft wie ein braver Mensch, und nun soll ihm die Kehle durchgeschnitten werden, und sein
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