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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dreifache Treue! Treue gegenüber dem Vorsitzenden Mao, Treue gegenüber den Ideen Maos, Treue gegenüber der politischen Linie Maos. Ist das richtig?«
    »Ja«, antwortete Huang gedehnt.
    Und Chang fuhr belehrend fort: »Der große Parteitheoretiker Yao Wenyuan sagte: ›Die Arbeiterklasse muß alles führen!‹, und Mao gab die Losung aus: ›Es ist unbedingt notwendig, daß die Jugend mit Schulbildung aufs Land geht!‹ Von den Bauern lernen, heißt die Parole, nicht von den Intellektuellen. Und wer hat hier zu lehren? Du, Huang Keli! Du hast als Lehrer die Pflicht, deinen Schülern Maos Geist beizubringen. Bisher hast du versagt.«
    »Ich kannte nicht die neue Heilslehre von Mao«, antwortete Huang demutsvoll.
    »Jetzt kennst du sie.« Chang trat unter den Türbalken und drehte sich noch einmal um. Er sah dabei die kleine Lida an, und ein mildes Lächeln überzog sein Gesicht. »Ich komme wieder. Wann, das weiß ich nicht. Aber ich komme. Und dann wirst du vor mir stehen und ein Gedicht von Mao aufsagen.«
    »Bestimmt, Genosse Kommissar«, sagte Lida brav. »Auf Wiedersehen.«
    »Auf Wiedersehen.«
    Chang verließ mit großen Schritten das Lehrerhaus, ging zu den wartenden Rotgardisten hinüber und war wieder der gefürchtete Drache, so wie ihn alle kannten. Kommandos ertönten, eine Schar von Kindern umringte die Truppe, und als sie abmarschierte, den Hügel hinunter, auf dem die Schule stand, waren alle Türen zu den Innenhöfen der Häuser geschlossen, kein Mensch zeigte sich, selbst die Hofhunde rührten sich nicht. Nur unten an der Straße, wo das armselige Parteihaus des Dorfes stand, grüßte stramm der Parteisekretär, obgleich sein Gesicht mit blau anlaufenden Beulen bedeckt war: Man hatte ihn schrecklich verprügelt, weil er die Partei vertrat, aber im Dorf keine richtigen Kommunisten waren. Versager überzeugt man am gründlichsten mit der Faust, war eine der Parolen von Chang Lifu, und die bisherigen Erfolge hatten ihm recht gegeben.
    Was sind ein Monat, ein Jahr in China? Die Felder grünen, tragen Frucht und werden abgeerntet; auf ihnen und den Reisterrassen wächst die Grundlage des Lebens, das alltägliche Sattsein. Die Ziegelbrennöfen, die jedes Dorf besitzt, qualmen aus ihren Ritzen, die Holzkohlenmeiler schwängern mit ihrem Geruch die Luft, und dann ist der Wind da, der Qualm und Gestank wegtreibt über die Ebene und in die Berge, und der Sommerhimmel strahlt heiß auf die gebückten Gestalten auf den Feldern, und die Schar der schnatternden, watschelnden Enten zieht über die Straße zu den Teichen und taucht nach Tang und Algen, und alles ist so friedlich wie vor dreitausend Jahren.
    Aber auf den Wochenmärkten hört man von den Weitgereisten, die von den großen Städten erzählen, von Kunming und Dali und Lijiang; sogar jemanden aus Shanghai trifft man dort oder aus Chengdu, und sie erzählen Wunderdinge, was es dort alles gibt, Maschinen mit großen Greifarmen, die auf einmal so viel Erde oder Steine aufheben, wie es sonst nicht zehn Mann könnten, Maschinen, die so breit sind wie Straßen und aus denen hinten eine fertige feste Straßendecke aus Teer läuft, die von riesigen Walzen gehärtet wird. Und dann kommt man ins Dorf zurück und blickt über die Felder, die in der Sonne wie ein grüner Teppich leuchten, und man sagt zu sich: »Was brauchen wir diese Moloche von Maschinen? Hier haben unsere Hände gearbeitet, und es ist schön geworden. Unser Land. Niemand kann es uns nehmen. In ihm ruhen die Gebeine unserer Ahnen, und ihr Geist schwebt über die Felder und erfreut sich an unserem Tun. Das ist Glück, mehr wert als eine Handvoll Geldscheine, das ist Leben, das wir uns selbst geben, immer und immer wieder, Jahr für Jahr, Jahrhundert um Jahrhundert. Wir brauchen keine handgearbeiteten Schuhe aus Hongkong. Die Großmutter näht sie aus Ziegenleder genauso gut, und unsere Bauernkittel aus selbstgewebtem Stoff sind uns nützlicher als ein Seidenanzug aus Beijing.«
    Was ist Zeit für China? Ein Teil der Ewigkeit, denn China ist Ewigkeit.
    So gingen die Jahre dahin im selbstverständlichen Lauf von Sonne und Mond.
    In Huili änderte sich nicht viel nach dem Abzug Changs und seiner Rotgardisten. Man nahm wahr, daß 1976 Mao Zedong mit zweiundachtzig Jahren in Beijing starb, man erfuhr von den Greueltaten einer ›Viererbande‹ genannten Gruppe von Politikern, die aus Jiang Quing, der Witwe Maos, Zhang Chunqiao, Yao Wenyuan und Wang Hongwen bestand und die man gleich nach Maos Tod
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