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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sonne, die Teiche trocknen aus. Eine Wildnis wird aus allem werden. Warum erlebe ich das noch? Keli, mein Sohn, gib mir nichts mehr zu essen – ich will sterben.«
    Huang Yuan bekam natürlich seine Mahlzeiten, aber er wurde immer magerer, immer lederner, immer kleiner. Und plötzlich war er tot. An einem Morgen lag er auf seiner Matratze, mit offenem Mund, als habe er noch einmal Tifei zu sich rufen wollen, um ihm zu sagen, daß ein Bauer nie seine Erde verlasse. Man begrub ihn in einem Sarg, den er, der Zimmermann, selbst zusammengefügt hatte. Dieser Sarg war aus festem Eisenholz, das nicht so schnell in der Erde verfaulte und somit den Leichnam mumifizierte; aus diesem Sarg heraus würde sein Geist jeden ermahnen, der an sein Grab kam und mit ihm sprechen wollte. Meine Nachkommen, euer Boden ist euer Leben. Das war Jahrtausende so, und es wird Jahrtausende so bleiben. Es gibt bei allem Fortschritt doch einen Stillstand auf dieser Welt, und das ist eure Erde!
    Tifei verließ also das Dorf Huili, fuhr in die Stadt Kunming und lernte ein Auto lenken, es reparieren und die Seele eines Motors erkennen. Er schrieb begeisterte Briefe, und als er zum ersten Mal einen Lastwagen allein fahren durfte, feierte er dieses Ereignis seines Lebens mit seinen Kollegen und betrank sich so gründlich, daß er unter den Tisch rollte und dort den Rest der Nacht verschlief, in einer Lache aus Bier und Schnaps und Hühnerknochen.
    Lida blieb im Dorf und half Vater und Mutter auf den Feldern. Mit siebzehn Jahren hatte sie große Mühe, die Männer von sich fernzuhalten. Sie war erblüht wie eine Rose, ihr Gang war elastisch und weich, ihr langes schwarzes Haar wehte im Bergwind wie ein Seidenschleier, und wenn die Hitze vom Himmel glühte und sie die Knöpfe ihres Kittels löste, bräunten ihre festen Brüste und schienen in der Sonne noch praller zu werden. Es war, als sauge sie die Sonnenstrahlen in sich auf und verwandele sie in Schönheit.
    Huang, der Vater, bemerkte das sehr wohl, und sagte zu Jinvan, seiner Frau: »Frau, unsere Tochter ist reif für einen Ehemann. Aber wen soll sie nehmen? Im Dorf ist niemand, den sie mag. Die ›Stolze‹ nennen sie sie schon. Das Mädchen mit den Drachenaugen und dem Jadebusen. Selbst Hong Hangyu, den Sohn des Kaufmanns aus Nanhua, der unsere Ware aufkauft, verschmäht sie. Eine gute Partie wäre er, und gebildet ist er auch. Aber sie sieht ihn nicht einmal an, und wenn, dann blickt sie durch ihn hindurch, als sei er aus Glas. Wo führt das hin? Ich will noch erleben, daß ein Enkel auf meinen Knien sitzt und ich ihm ein Lied vorsinge. Nichts macht sie sich aus Männern. Absolut nichts. Was ist das bloß für ein Mädchen? Alle ihre Klassenkameradinnen sind schon verheiratet, haben Kinder, bauen ein eigenes Haus, sie aber sitzt in den Feldern, spricht mit den Enten, füttert sogar einen Kranich, hackt und jätet, leitet das Wasser von Feld zu Feld, drückt hinter dem Büffel den Pflug in die Erde und schichtet Steine zu neuen Mauern auf. Du solltest mit ihr sprechen, Frau – meine Worte hört sie stumm an, lächelt und schweigt weiter. Worauf wartet sie? Auf den Prinzen aus einem Märchen? Sie wird ihn nie bekommen, wenn sie mit lehmverkrusteten Beinen von den Feldern kommt und der Schweiß ihr das Haar um den Kopf klebt.«
    »Es sind verschwendete Worte«, sagte Jinvan. »Was antwortet sie mir, Mann? ›Tifei ist weggegangen, ihr werdet alt, aber die Erde lebt und will gepflegt werden. Ich liebe die Erde … Was ist ein Mann gegen ein Reisfeld, aus dem die jungen Pflanzen sprießen?‹«
    »Das ist doch nicht normal!« rief Huang aus, und es klang fast wie ein Entsetzen über seine Tochter, die er nicht mehr verstand. »Es wird soweit kommen, daß man ihr Spottverse nachruft und sie so eine nennt, die es sich selbst macht.«
    »Mann, woran denkst du?« sagte Jinvan betroffen. »Vielleicht ist ihre Zeit noch nicht gekommen. Jeder Mensch entwickelt sich anders.«
    »Sie blutet, seit sie vierzehn ist. Sie ist eine voll erblühte Frau. Sie muß doch etwas empfinden außer Freundschaft zu Tieren und der Erde. Weißt du was?« Huang sah seine Frau mit listigen Augen an. »Wir werden Hong Hangyu einladen. Ganz offiziell. Ein großes Fest werden wir veranstalten mit so viel köstlichem Essen, daß der größte Tisch zu klein ist. Vielleicht finden sie doch noch Gefallen aneinander? Man muß sie nur nahe zusammenbringen. Hangyu ist ein schöner Mann, sie werden gut zusammenpassen. Ein vom Himmel
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