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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fragte er laut und mußte wieder husten. »Es gibt schöne und häßliche Menschen, aber muß man mich wie ein seltenes Tier anstarren, nur weil ich häßlich bin? Geh, oder ich spucke dich an, du hochnäsiger Lümmel!«
    Lida drehte sich um und sah Jian hinter sich stehen, in die Betrachtung von Chang versunken. Sie war wütend, und ihre dunklen Augen sprühten.
    »Er hat mich gestoßen, Onkel Chang«, sagte sie mit einer Stimme, als habe Jian sie schwer verletzt. »Und jetzt läuft er mir nach, um mir eine Salbe zu geben. Ein feiner Herr aus Kunming, ein Student der Medizin. Macht sich lustig über uns arme Menschen.«
    »Kommt zu meinem Wagen«, sagte Jian. »Dort hinten an der Mauer steht er.«
    »Ein feiner Wagen! Bist du einer der neuen Kapitalisten?« Lida schüttelte den Kopf. »Ich habe kein Verlangen, deinen Wagen anzusehen.«
    »Ich will deinen Onkel untersuchen. Ich habe alle Instrumente in meinem Wagen. Lida, ich will euch doch nur helfen.«
    »Wir können keinen Arzt bezahlen.«
    »Es kostet euch nicht einen Yuan.«
    »Da ist ein Trick dabei!« ließ sich Chang vernehmen. »Niemand tut etwas umsonst, schon gar nicht ein Studierter. Gehen Sie weg, ehe ich richtig wütend werde.« Er hob seinen Stock und fuchtelte mit ihm in der Luft herum. »Ich kann noch gut schlagen, auch wenn man's mir nicht mehr ansieht. Fordern Sie mich nicht heraus.«
    Es dauerte eine ganze Zeit, bis Jians Überredungskunst Wirkung zeigte.
    »Man kann es ja versuchen, wenn es kein Geld kostet«, meinte Chang widerwillig. »Sie werden es nicht weit als Arzt bringen, wenn Sie immer so großherzig sind. Ihr Vater ist zu bedauern, daß er einen so dummen Sohn hat.«
    Und so geschah es, daß Chang vor dem Auto mißtrauisch verfolgte, wie Jian ihm mit einem Stethoskop Brust und Lunge abhörte, von hinten gegen den Rücken klopfte und befahl: »Tief einatmen … Luft anhalten … ausatmen …« Chang tat es gehorsam, aber als Jian mit der Untersuchung fertig war, fragte er: »Habe ich zu viel Luft im Körper? Das kommt von dem Kohl. Keine Sorge, Doktor, das furze ich weg.«
    »Du hast eine verschleppte Bronchitis. Spuckst du viel?«
    »Ich spucke normal wie jeder andere Mensch.«
    »Ist die Spucke blutig?«
    »Ab und zu.«
    »Und was ist mit deinem Gesicht?«
    »Erwähne mein Gesicht nicht!« schrie Chang und stülpte sich seinen Hut über den Kopf. »Das geht keinen etwas an.«
    »Die Narben sehen aus wie Brandwunden.«
    »Mich hat ein schwarzer Drache angeblasen.«
    »Ich werde dich behandeln. Wo lebt ihr?«
    »In Huili.«
    »Ein Miao-Dorf«, fügte Lida hinzu. »Kein Platz für einen vornehmen Han-Chinesen.«
    »Fahrt voraus, ich folge euch. Dein Gesicht, Onkel, interessiert mich.«
    »Mich nicht. Ich habe mich daran gewöhnt, einen Fremden im Spiegel zu sehen.«
    »Man kann das Gesicht wieder in Ordnung bringen.«
    »Willst du mir die Haut abziehen?«
    »So ähnlich, Onkel.«
    »Er ist verrückt. Lida, ich sage dir: Er ist ein Irrer! Komm, laß uns gehen. Wenn er uns folgt, ist es sein Schaden, nicht unserer. Spätestens in Huili wird er einsehen, wie verrückt er ist.«
    So fuhren sie nun schon zwei Stunden auf der Straße nach Nanhua, wo ein Weg nach Yao'an abzweigte und von dort eine Straße in die Berge von Yungu, in denen Huili lag. Chang blickte sich immer wieder um – Jians Wagen schlich hinter ihnen her, denn so ein Dreiradtraktor zuckelt gemütlich daher.
    »Ich habe ein merkwürdiges Gefühl, Lida«, sagte Chang einmal, nachdem er sich wieder zu Jian umgedreht hatte. »Er will mich behandeln, aber das ist nur ein äußerlicher Grund. Er hat anderes im Sinn, glaube es mir.«
    »Was sollte er im Sinn haben, Onkel Chang?«
    »Dich, mein Lotus. Du gefällst ihm. Wie er dich angesehen hat …«
    »Was du dir immer ausdenkst.« Aber sie senkte dabei den Kopf, und ihre nach vorn fallenden Haare verdeckten ihr Gesicht, in das eine schwache Röte stieg. »So ein studiertes Herrchen und ich! Außerdem mag ich ihn nicht.«
    »Warum? Er ist ein schöner junger Mann.«
    »Ich mag ihn eben nicht. Er ist aufdringlich und eingebildet. Ich mag ihn nicht.«
    Das klang überzeugend, dennoch war es eine Lüge. Ihr Herz bekam plötzlich einen anderen Schlag, wenn sie an Jian dachte, und eine nie gekannte Unruhe durchzog ihren Körper.
    Sie erreichten Huili am Abend. Lida sprang vom Traktor, rannte in das Haus und sprach kein Wort mit Jian.
    »So ist sie«, sagte Chang weise zu Jian, der aus seinem japanischen Wagen stieg. »Stör dich nicht an

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