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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mich erschlagen. Soll er! Ich werde mich nicht wehren.« Chang trank noch eine Tasse Tee, den angebotenen Reisschnaps lehnte er ab. »Ich will nicht, daß Lida wieder sagt: ›Du stinkst!‹ Ich kann also bei euch bleiben und wohnen und essen und schlafen?«
    »Ja. Bis an dein Lebensende, sagen wir es so.«
    »Ich werde mich nützlich machen, Huang. Ich kann den Reis setzen, ich kann den Kohl ernten, ich habe beim Sargtischler gelernt, Möbel anzufertigen und Dächer zu flicken. Es gibt so vieles zu tun, was ich euch abnehmen kann.«
    »Wir werden sehen«, sagte Huang und lächelte vor sich hin. Wie sich doch die Welt dreht, dachte er dabei. Aus einem gefürchteten Kommissar wird ein Bauernknecht, der die Enten vor sich hertreibt und die Schweine aus der Suhle holt. »Du bist unser Gast, Chang Lifu. Ruhe dich erst aus von deiner langen Wanderschaft! Und dann kannst du mir sogar in der Schule helfen.«
    »In der Schule? Ich?«
    »Ja. Du wirst den Schülern erzählen von der Kulturrevolution, von den Irrtümern Maos, von der Verblendung des Geistes, von der Gefährlichkeit einer Diktatur. Du bist ein aktiver Zeuge dieser Zeit, und an deinem Beispiel sollen die Schüler lernen, daß nicht die Gewalt eine neue Zeit schafft, sondern die Vernunft.«
    »Gibt es denn die, Huang?« fragte Chang und schüttelte dabei den Kopf.
    »Sie schläft in jedem Menschen, man muß sie nur wecken zur rechten Zeit.« Huang fiel plötzlich ein, daß morgen ein Mittwoch war, und er beendete das Gespräch mit einer wegwischenden Handbewegung. »Lida«, sagte er, »ist morgen nicht Markttag in Xiaguan?«
    »Ja, Vater.«
    »Fährst du hin und nimmst Chang mit?«
    »Damit man mich erkennt und mit Steinen totschlägt?«
    »Niemand wird dich erkennen. Du siehst aus, als hättest du einen neuen Körper bekommen. Du kannst Lida beim Ab- und Aufladen helfen.«
    Und so fuhren am nächsten Morgen Lida und Chang mit dem kleinen Dreiradtraktor und einem voll beladenen Flachwagen hintendran von Huili nach Xiaguan, die Straße hinunter, die nach Dali führte und zum Erhai-See.
    Der Mittwochsmarkt von Xiaguan war ein großes Treffen der Händler und Bauern. Aus einem weiten Umkreis kamen sie zusammen, bauten vor dem Städtchen auf einem riesigen Platz ihre Stände auf, besetzten die Straßen rechts und links, so daß kaum noch ein Durchkommen war, sondern nur noch ein Vorwärtsgeschiebe, Leib an Leib, und dazwischen die Karren oder Sackträger, die Korbträger mit ihren Schulterjochen, die Vogelkäfige an langen Bambusstangen, die Frauen der Miaos und Bais, die ihre Einkäufe wegschleppten. Da waren die Garküchen, in denen es Reissuppe, Nudelsuppe, gebratenes Fleisch, Teigtaschen mit Gemüse- oder Fleischfüllungen gab, die Tee- und Limonadenstände und außerhalb des Gewühls der Viehmarkt mit Hammeln, Kälbern und dicken, hängebäuchigen Schweinen.
    Eigentlich wollte Tong Jian den Markt von Xiaguan gar nicht besuchen. Er kam aus Dali zurück, wo er seinen Onkel Zhang Shufang besucht hatte, der am Erhai-See ein Häuschen besaß und davon lebte, seine Gedichte und Hymnen auf feinstes Reispapier zu malen und zu verkaufen.
    Zhang Shufang war ein weit über die Grenzen Yunnans bekannter Dichter, dem sogar Mao einen Lobesbrief geschickt hatte, den Zhang einrahmte und über seinen Arbeitstisch hängte; jetzt allerdings war der Brief in einem Schrank versteckt, und an seiner Stelle hing eine Tuschzeichnung von den Cangshan-Bergen, die mit immerweißen Häuptern über den See und die Stadt Dali blickten. Schon viele Gedichte hatte Zhang darüber geschrieben, sogar ein Lied, das in den Schulen gesungen wurde, was seinen Ruhm in den neuen Generationen weiterleben ließ. Bei ihm saß Jian gern und blickte über den See mit den flachen Fischerkähnen.
    Es war noch früher Nachmittag, als Jian in Xiaguan ankam, seinen kleinen japanischen Wagen an einer Lehmwand abstellte und beschloß, nun über den Markt zu gehen. In Kunming gab es auch Märkte, aber sie waren geordneter, eben städtischer, und man sah nicht so viele Völker, die man Minderheiten nannte, die aber dennoch Chinesen waren, wie hier auf den ländlichen Märkten. Für ihn, den stolzen Han-Chinesen, der sich als einen wahren Chinesen betrachtete, war das Völkergemisch wie eine Schaustellung im Zirkus; vom flachgesichtigen Mongolenabkömmling bis zu den zarten Bai-Mädchen war alles vertreten, was es an asiatischen Rassen geben konnte.
    Jian hatte es nicht eilig. Er schlängelte sich durch die

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