Der Jade-Pavillon
aber auch Krebse und Wasserschildkröten, die man gern als Suppeneinlagen verwendete.
Tongs Haus war zwar nicht zerstört worden, aber es sah chaotisch aus. Es war geplündert worden, der Hausaltar war zerhackt, überall hatten die neuen Kulturträger ihre Exkremente hinterlassen, in den Betten, auf den Sesseln, auf den Ruhebänken im Garten, im Goldfischteich; nichts gab es, was nicht mit Kot beschmiert war, als Tong Shijun nach dem Abzug des Generals und seiner Division sein Haus wieder betrat. Sogar einen halb verwesten Toten fand er in einem leeren Blumenkübel, seinen Diener Jinghen, der schon seinem Vater gedient hatte.
In der Klinik lagen noch immer Verwundete. Sie wurden jetzt von Kommissaren der Bürgermiliz verhört und bangten um ihr Leben, denn sie trugen die nun verhaßte grüne Uniform der ›Kleinen Generäle Maos‹, und wenn sie auch die rote Armbinde mit dem Wort ›Rotgardist‹ weggeworfen hatten, wußte doch jeder, wie sie unter der Bevölkerung gehaust und wie viele Tote vor ihren Gewehren gelegen hatten.
Tong, nun wieder Chefarzt der Klinik, konnte nicht verhindern, daß viele Rotgardisten aus ihren Betten geholt, im Hof des Krankenhauses an die Mauer gestellt und erschossen wurden. Wer nicht stehen konnte, wurde im Liegen getötet; das Morden ging weiter, es hatte nur einen anderen Namen bekommen.
Meizhu, Jian und Fengxia fanden das ausgeplünderte Haus verlassen vor. Zwar war der gröbste Dreck beseitigt worden, aber der Anblick der Zerstörung genügte, um Meizhu in Tränen ausbrechen zu lassen; sie sagte zu Jian: »Mein Sohn, vergiß nicht, was du hier siehst. Vergiß nicht, wozu ein Volk fähig ist, wenn es in einen Wahn getrieben wird. Ein einziger Mann wie Mao kann eine ganze Welt zertrümmern. Lauf nie jemand nach, der dir Freiheit verspricht – es gibt keine freien Menschen. Lerne dich auf dich selbst verlassen und vertraue nur einem: dir selbst! Nur so kannst du das Leben ertragen.«
Am Abend, als Tong von der Klinik nach Hause kam – er ahnte nicht, daß seine Familie zurückgekommen war –, zog ihm schon in der Vorhalle der Duft von gebratenem Fleisch entgegen. Auch war Licht in der Küche und im Speiseraum, und der Schutt, der noch immer vor dem großen Wohnraum gelegen hatte, war weggeräumt.
Tongs Herz schlug wie ein Hammer. Er rannte zur Küche, sah seine Frau Meizhu vor einem offenen Holzfeuer und vor einer alten Bratpfanne stehen, breitete die Arme aus und rief ihren Namen, und sie sanken sich in die Arme und küßten sich. Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände, schaute sie an, ließ seine Lippen über ihre geschlossenen Augen gleiten und sagte nach langer Zeit wieder: »Ich liebe dich.« Das war das Größte, was er ihr zu sagen hatte; seit Jahren hatte sie es nicht mehr gehört. Tong war kein Mann, der seine Gefühle auf der Zunge trug, und auch im Schlafraum blieb er stumm, nur seine Hände redeten, wenn sie über Meizhus schlanken Körper glitten, und sagten damit mehr als alle geflüsterten Worte.
»Es ist eine Schweineschulter«, sagte sie, als er sie endlich losließ. »Mit Lauch und Ingwerwurzeln und Keimlingen von grünen Sojabohnen. Das ist doch dein Lieblingsgericht. Jian ist es gelungen, das Fleisch zu stehlen – wir haben nicht eine einzige Münze mehr.«
»Jian wird wissen, wo er gestohlen hat«, sagte Tong. »Morgen gehen wir hin und bezahlen das Fleisch. Ein Tong stiehlt nicht, auch wenn sich sein Magen vor Hunger krümmt.«
»Wir wollten dir eine Freude machen. Eine Überraschung.«
»Als solche sehe ich es auch an.« Tong wischte mit der Hand durch die Luft. »Vorbei. Ich habe schon vergessen, daß ich gestohlenes Fleisch esse.«
Am nächsten Morgen ging Tong auf den Markt, und Jian mußte ihn begleiten und schritt mit gesenktem Kopf daher, voller Scham, aber auch voller Enttäuschung, denn er hatte das Fleisch ja genommen, um seinem Vater eine Freude zu bereiten. Jetzt mußte er auf dem Fleischmarkt den Stand bezeichnen, aber der Fleischer hatte Jian nicht beim Diebstahl gesehen.
Er war erstaunt, als Tong Shijun mit einem halbwüchsigen Jungen bei ihm erschien, sich verneigte und sagte: »Ich bin Dr. Tong vom Krankenhaus, und das ist mein Sohn Jian.«
»Sehr angenehm.« Der Fleischer erwiderte die Verbeugung. »Es ist mir eine Ehre, daß Sie an meinen bescheidenen, unwürdigen Stand kommen. Was darf ich Ihnen verkaufen?«
»Ich möchte bezahlen«, sagte Tong, ergriff Jian, der hinter ihm stand, und schob ihn nach vorn.
»Was darf ich
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