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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Herstellung eines Pulvers, das er aus einer Schlangenhaut gewonnen hatte.
    Huang war kein dummer Mensch, sonst wäre er kein Lehrer geworden. Er ging durch die Hauptstraße des alten Dali, blieb bei einigen Fahrradreparaturwerkstätten stehen und verhandelte mit den Mechanikern wegen eines Leihrades. Aber erst beim fünften hatte er Glück, hinterlegte als Pfand fünfzig Yuan, was das verrostete Rad gar nicht wert war, schwang sich in den verbeulten Sattel und strampelte zum Erhai-See.
    Dort allerdings kannte jeder Fischer den großen Zhang, und Huang fand das Haus sofort. Er stellte sein Fahrrad an der Hauswand ab und klopfte an die Tür. Als nach viermaligem Klopfen keiner antwortete, drückte Huang die Tür auf und trat ein. Zhang war weggegangen, auf dem Ofen brodelte Wasser, und kleingeschnittene Tofuwürfel lagen daneben, ein Beweis, daß Zhang bald wiederkommen würde. Vielleicht holte er sich von einem der Fischer einen gerade gefangenen Fisch.
    Huang ging im Haus herum, betrachtete die Tuschbilder und verstand, warum Zhang ein so bekannter Künstler war. Seine Bilder hatten den Atem der Wahrheit und die Poesie der Phantasie, und beide Kräfte schufen Kunstwerke, an denen sich Auge und Seele erfreuen konnten.
    Hinter Huang klappte die Tür auf und zu. Zhang betrat den Raum und blieb fast erschrocken stehen. In der rechten Hand hielt er wirklich einen großen, silberglänzenden Fisch mit roten Rückenflossen. »Wie kommst du hier herein?« fragte er.
    »Ich habe viermal angeklopft, und dann war die Tür offen. Sehen Sie sich um, ich habe nichts angerührt oder gestohlen, nicht mal ein Stückchen Tofu.«
    Zhang musterte den Besucher, legte den Fisch auf ein Brett und fand, daß ein Mann in einem so sauberen Anzug weder ein Bettler noch ein Halunke sein konnte. »Was willst du?« fragte er etwas freundlicher. »Willst du ein Bild kaufen oder ein geschriebenes Gedicht?«
    »Ich will nur mit Ihnen sprechen. Sie sind der Onkel von Tong Jian?«
    »Ah! Du kennst ihn?«
    »Ich bin Huang Keli aus Huili.«
    »Der Lehrer und Vater von Lida? Setzen Sie sich. Essen Sie mit mir einen Fischtopf. Kommen Sie jetzt aus Huili?«
    »Ja. Extra Ihretwegen.« Huang setzte sich und stützte beide Hände auf die Knie. »Ich muß mit Ihnen über Lida, meine Tochter, und über Jian sprechen, der unser Haus in Unordnung gebracht hat.«
    »Ist Liebe Unordnung?« fragte Zhang. Er hatte ein großes Messer genommen, schabte die Schuppen von dem silberglänzenden Fisch, schnitt ihn auf, zog die Innereien heraus und löste das weiße Fleisch vorsichtig von den Gräten. Dann stützte er sich auf das Messer und wartete auf Huangs Antwort.
    »Für mein Haus ist es ein Unglück«, sagte Huang. »Ich sehe an Ihren Reaktionen, daß Jian mit Ihnen bereits über alles gesprochen hat.«
    »Wir hatten eine lange Unterhaltung, das stimmt.«
    »Dann kennen Sie unser Problem.«
    »Es ist weniger Ihr Problem als das Problem der Familie Tong.«
    »Sie sehen das, glaube ich, falsch, Herr Zhang. Die Familie Tong lebt mit ihrem Stolz als alte Han-Chinesen, wir sind stolz darauf, zu den Miaos zu gehören. Die Tongs sind reiche Leute, ich bin nur ein armer Lehrer. Wie arm ich bin, sehe ich an meinem Sohn Tifei. Er hat in Kunming zwei eigene Lastwagen laufen und verdient im Monat das Fünffache von mir. So sagt er, aber ich glaube, um mich nicht zu beleidigen, sagt er nicht die Wahrheit – er verdient das Zehnfache!«
    »Eine große Liebe hängt sich nicht an Zahlen auf.« Zhang begann, den Fisch in kleine Häppchen zu zerteilen. Das Hacken des großen Messers begleitete seine Worte. »Ich habe Jian geraten, seiner Familie noch nichts von Ihrer Tochter Lida zu erzählen. Hoffentlich hält er sich daran.«
    »Und wenn nicht, was geschieht dann?«
    »Dann wird Tong Shijun auf dem Stuhl sitzen, auf dem Sie Platz genommen haben. Oder er kommt sogar nach Huili zu Ihnen.«
    »Und er wird mir Geld anbieten, viel Geld, wenn ich Lida von Jian fernhalte.«
    »So etwas könnte ihm ähnlich sehen.« Zhang nahm den großen Topf mit dem kochenden Wasser vom Herd und schabte die Fischstücke hinein. Dazu gab er kleingehackte Zwiebeln, Porree, eine kleine Ingwerwurzel, getrocknete Bambussprossen und eine Handvoll Salzkohl. Er kocht wie Jinvan, dachte Huang und sah ihm zu. Ein so berühmter Mann kann kochen. Ein ungewöhnlicher Mensch ist er wirklich.
    »Ich würde auch einen Tong Shijun aus meinem Haus werfen, wenn er mir ein solches Angebot macht«, sagte Huang energisch. »Man

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