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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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warf er ihn in eine Ecke. »Ich muß weg von hier!« schrie er. »Ich ersticke an diesem Luxus. Ich fahre nach Dali zurück.«
    »So dankt ein Sohn seinem Vater«, sagte Tong voll Bitternis. »Ihr wollt die ›neuen‹ Menschen sein? Mir graut vor der Zukunft.«
    »Wir werden keine Zukunft haben, wenn es nur Menschen wie dich gibt. Professor Tong Shijun, Kommunist und Millionär, Deng-Bewunderer und Traditionalist – ist das eine Mischung! Wer hat sich hier zu schämen? Ich muß mich schämen über so viel Heuchelei.« Jian drehte sich brüsk um, ließ seinen Vater stehen, was ein Höhepunkt der Unhöflichkeit war, und rannte aus dem Zimmer. In der Tür begegnete er seiner Mutter, hätte sie fast umgerannt, entschuldigte sich hastig und rannte weiter.
    Meizhu blickte ihm erschrocken nach und wandte sich dann ihrem Mann zu. »Habt ihr Streit gehabt, Shijun?« fragte sie. »Kaum seht ihr euch, seid ihr wie die Kampfvögel.«
    »Jian schämt sich, unser Sohn zu sein.«
    »Er hat noch einen jungen, aufbrausenden Kopf. Ein gärender Fruchtwein macht immer Lärm.«
    »Jian weigert sich, Yanmei zu heiraten.«
    »Er kennt sie doch noch gar nicht.«
    »Das ist es ja. Er fragt, ob sie einen Wasserbüffel vor den Pflug spannen kann – stell dir einmal so etwas vor! Welche Gedanken treiben sich in seinem Kopf herum? Und er will wieder nach Dali. Er ersticke hier, hat er mich angeschrien. Ein Sohn schreit seinen Vater an – verfallen denn alle Sitten?«
    »Laß ihn nach Dali fahren, Shijun. Onkel Zhang wird einen guten Einfluß auf ihn ausüben. Bei ihm fühlt er sich wohl.«
    »Er ersticke hier«, wiederholte Tong mit erhobener Stimme. »Woran erstickt er?«
    »Jian ist anders als wir. Er war immer anders. Denk nur daran, wie er sich gegenüber Wu und Fengxia benimmt. Wenn er erst einmal Arzt ist, wird er sich geändert haben. Es wird schon beginnen, wenn er entdeckt, daß er ein Mädchen liebt.«
    »Er kann lieben, so viel er will. Heiraten wird er Yanmei. Das ist beschlossen. Ich habe mein Versprechen gegeben.«
    »Was habt ihr ausgehandelt?«
    »In vier Jahren, direkt nach seinem Examen.«
    »In vier Jahren.« Meizhu lächelte mild. Die Männer planen, aber das Schicksal regiert. »Und wenn in diesen vier Jahren Yanmei sich in einen anderen Mann verliebt?«
    »Das wird nicht sein.« Tong lächelte plötzlich bei dem Gedanken, der ihm durch den Kopf ging. »Und wenn es so sein sollte, dann verliert Qian Fang sein Gesicht und nicht ich.« Er schüttelte den Kopf. »Aber es wird nicht so kommen – eher sperrt Qian seine Tochter wie ein Singvögelchen in einen goldenen Käfig ein. Es gibt noch Eltern auf der Welt.«
    Was Huang Keli beschlossen hatte, führte er auch aus. Keiner wußte davon; nur Jinvan, mit der er alles besprochen hatte, wußte die Wahrheit und schwieg. Es hieß nur, Huang müsse für zwei Tage verreisen, in Nanhua veranstalte die Partei einen Kurzlehrgang für die Dorfschullehrer, und Huang müsse hin, um neue Lehren und neue Ziele des Kommunismus kennenzulernen. Lida brachte ihn sogar mit dem Kleintraktor bis zur Bushaltestelle Dayao, und wie viele neben ihm kletterte Huang auf das Dach des überfüllten Fahrzeugs, klammerte sich an dem mit dicken Seilen verschnürten Gepäck fest und winkte Lida zu, als der Bus mit einem lauten Ächzen anfuhr.
    Huang hatte den besten Anzug gewählt, den er besaß, denn, so sagte er zu Lida und Chang, einen guten Eindruck bei den Funktionären zu hinterlassen sei immer von Vorteil. Ein gutangezogener Mensch erweckt Vertrauen.
    In Nanhua stieg er in den Bus, der nach Dali fuhr, wurde durchgerüttelt, daß ihm die Knochen knackten, und als er in der alten Stadt mit dem prächtigen, von steinernen Löwen bewachten Stadttor ankam, hoffte er jemand zu finden, der ihm den Weg zum Haus des berühmten Zhang Shufang zeigen konnte. Aber wen er auf der Straße auch fragte, keiner kannte Zhang. Erst in einer der kleinen Kliniken – die aussahen wie ein Kramladen, wenn nicht im Hintergrund drei Betten mit den Kranken gestanden hätten, von denen einer sogar an einer Infusion hing, worauf der Klinikinhaber, der sich Arzt nannte, besonders stolz war – erfuhr Huang, daß der Dichter und Maler Zhang direkt am See wohne, sehr einsam; eine Straße durch das Röhricht führe dorthin, und wenn er zu Fuß hin wolle, müsse er mit vier Stunden Marsch rechnen.
    Der Arzt beschrieb genau die Richtung, ging dann in den vorderen Teil seiner Klinik, wo die Apotheke lag, und widmete sich wieder der

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