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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Jian die ganze Zeit über hier gewohnt hatte.
    »Nein«, antwortete Zhang. »Dein Sohn hat von seinem Vater nur voll Ehrfurcht gesprochen. Er widmet seine Aufmerksamkeit der Politik unseres Landes.«
    »Das meine ich, Shufang.« Tong seufzte. Der Rauch des bratenden Fisches lag ätzend auf seinen Augen. »Meine Seele ist voll Angst. Jians Träume von einem neuen China können ihn den Kopf kosten. Ich frage dich, und bitte, sei ehrlich: Hat er sich in Dali heimlich mit Reaktionären getroffen?«
    »Nein. Das könnte ich schwören. Bist du nun beruhigt?«
    »Nur in der Hälfte meines Herzens.«
    »Was fehlt noch an deiner Ruhe?«
    »Die Antwort auf die Frage, was Jian so verändert hat.« Tong erhob sich von dem Flechtstuhl, trat zu Zhang, sah sich um und nahm eine Reisschale, einen kleinen Teller, das Kännchen mit Sojasoße und ein Paar Eßstäbchen aus dem Regal. Er trug alles zum Tisch, kehrte zurück und nahm dann das Drehtablett in die Hand, das der Mittelpunkt jedes gedeckten Tisches ist. Der Tisch hat rund zu sein und nicht lang oder eckig, ist doch ein Essen ein geselliges Beisammensein, und ist es doch eine Freude, sich gegenüberzusitzen.
    Das Staunen war auf Zhangs Seite. Der große Tong deckte den Tisch!
    »Für mich auch eine Schale«, sagte Zhang. »Mir ist der Fisch prächtig gelungen, glaube ich.«
    Tong holte ein zweites Gedeck, schöpfte den dampfenden Reis in ein kleines Holzfaß, füllte einen Teller mit den eingelegten Pilzen und trug alles zum Tisch, während Zhang die Pfanne mit dem Fisch auf das Drehtablett stellte.
    Dann saßen sie sich gegenüber, und Zhang fragte: »Trinken wir ein Bier dazu, Shijun?«
    »Wenn du es entbehren kannst. Ich trinke es gern.«
    »Es ist das beste Bier, aus Beijing.«
    Beide standen auf, und während Tong zwei dickwandige Gläser holte, ging Zhang in den Nebenraum, wo der Kühlschrank stand, der den schönen ausländischen Namen ›Snow Flake‹ trug; Zhang hatte ihn in einem Kaufhaus in Kunming erstanden. Das war vor vier Jahren gewesen, und erstaunlicherweise kühlte er noch immer.
    Dann aßen sie endlich. Einmal sagte Tong: »Du kochst besser als der beste Koch von Kunming, dein Fisch ist köstlicher als jedes Ingwerhuhn im Steinguttopf. Jede Küche in Kunming würde stolz darauf sein.«
    Nach dem Essen aber verspürte Tong große Müdigkeit, die seinen Körper erschlaffen ließ. Das Bier verstärkte sie noch, und er war von einer Minute auf die andere so matt, daß ihm der Kopf auf die Brust sank. Er schrak hoch, als er merkte, daß er auf seinem Stuhl schwankte. »Die Jugend ist lang dahin«, sagte er als Entschuldigung, denn es ist unhöflich und beleidigend, am Tisch einzuschlafen. »So eine lange Fahrt im Alter saugt die Kraft weg. Darf ich dich um ein Bett bitten?«
    »Nebenan ist dein Zimmer.« Zhang führte Tong in den Nebenraum, in dem auch Jian geschlafen hatte, und er nahm dabei Tasse, Tee und Thermoskanne mit, damit der Gast, sollte er in der Nacht einmal erwachen, sich mit Tee erfrischen konnte.
    Tong blieb vor dem Bett stehen und starrte auf es hinunter. »Ist das das Bett, in dem mein Sohn geruht hat?« fragte er.
    »Ja. Nach jedem Tag lag er hier und sagte: ›Ich bin ein glücklicher Mensch, Onkel Zhang.‹ Und das Glück stand wirklich in seinen Augen.«
    »Warum war er hier bei dir so glücklich?«
    »Hier war er ein Mensch, der nach seinem Sinn leben konnte. Er war frei von jedem Zwang.«
    Tong schwieg. Er verstand den Vorwurf in Zhangs Worten, aber er entgegnete nichts. Er setzte sich auf das Bett, ließ sich nach hinten fallen, und es dauerte nur wenige Minuten, bis er eingeschlafen war.
    Sechs Stunden später hielt Jian vor dem Haus Onkel Zhangs und stieg aus seinem Wagen. Es war vier Uhr morgens. Ein halber Mond goß Silber über den See und ließ die trägen Wellen glitzern, als seien sie aus Glasperlen gemacht.
    Zhang, der einen leichten Schlaf hatte, griff nach seinem festen Knüppel, als die Tür klappte, huschte aus dem Bett und war bereit, den Eindringling zu empfangen. Als die Zimmertür leise geöffnet wurde, sagte er mit drohender Stimme: »Komm herein, du Strolch! Ich zeige dir, daß du einen gläsernen Schädel hast.«
    »Schon wieder«, antwortete Jian, und sein Lachen ließ den Knüppel in Zhangs Hand sinken. »Das ist das zweite Mal, daß du mir den Schädel einschlagen willst.«
    »Der Himmel fällt herab! Du bist es, Jian? Leise … leise …« Zhang ging zur Lampe und machte Licht.
    Jian blinzelte in die plötzliche

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