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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Fischer.
    »So gut hat mir noch nie ein Schlaf getan«, sagte Tong und reckte sich. »Ich fühle mich stark wie ein junger Kerl.«
    »Es ist die reine Luft des Erhai-Sees und die Klarheit, die von den Bergen steigt.« Zhang legte seinen feinen Tuschpinsel in eine Lackschale, ging zum Herd und rührte in der Reissuppe. »Du kommst heute nicht mehr nach Kunming und in die schlechte Stadtluft zurück.«
    »Ich muß zurück, Shufang. Morgen habe ich eine Reihe von Untersuchungen vorzunehmen. Die Kranken warten auf mich.«
    »Der Bus ist schon lange abgefahren. Will der große Tong wie ein armer Bauer an der Straße stehen und winken, ob ihn jemand mitnimmt? Davon müßte man ein Foto machen.«
    »Ein Vater ist immer ein Vorbild – was soll Jian von mir denken, wenn ich meine Pflicht nicht erfülle?«
    »Er wird es mit Schweigen übergehen«, antwortete Zhang. »Gönne dir noch diesen Tag. Wir werden zur Insel Jinsuo Dao fahren, das Fischerdorf besichtigen und dann im Tempel von Xiao Putuo Dao Gott für den schönen Tag danken. Und du wirst die beste Ente deines Lebens essen – das verspreche ich dir.«
    »Wir werden zuerst nach Dali fahren, und ich werde auf dem Postamt Meizhu anrufen. Sie wird sich Sorgen machen, wenn ich heute nicht zurückkomme.«
    »Dann mußt du dich auf ein Fahrrad setzen, anders kommen wir nicht nach Dali. Ich habe nur ein Fahrrad, und ein zweites habe ich gefunden, das jemand weggeworfen haben muß, weil er sich wohl schämte, noch mit ihm zu fahren.«
    Es war Huangs Fahrrad, für das dieser so viele Yuan hinterlegt und das er nicht zurückgebracht hatte. Es lag im Schuppen auf einem Haufen Stroh, und Zhang freute sich im voraus, den großen reichen Tong auf einem solchen Krüppel von Fahrrad nach Dali strampeln zu sehen.
    Tong seufzte, deckte wie am Tag zuvor den Tisch und sagte dabei: »Warum hast du noch kein Auto, Shufang? Du hast das Geld dazu, du hast die nötigen Freunde in Beijing, du würdest nicht zu warten brauchen und sofort diesen deutschen Volkswagen, den Santana, bekommen. Ein schönes Auto, das sie jetzt in Shanghai bauen.«
    »Würde ein Auto zu mir passen, Shijun?«
    »Ich könnte es mir gut vorstellen.«
    »Und in meinem Alter soll ich Unterricht im Fahren nehmen? Warum hast du kein Auto, der berühmte Tong?«
    »Seit zwei Jahren werde ich mit einem Dienstwagen des Krankenhauses abgeholt und zurückgebracht.«
    »Das ist der neue Sozialismus.«
    Zhangs Spott war Tong unangenehm, und er fing deshalb von etwas anderem an. »Ich kehre voller Ruhe nach Kunming zurück«, sagte er. »Wenn du sagst, Jian habe keine Verbindung zu revolutionären Gruppen, dann glaube ich dir.«
    »Meine Wahrheit ist wie ein Schwur. Jian hat sich nie mit solchen Leuten getroffen. Das soll nicht heißen, daß er keine Kritik an dem Regime übt.«
    »Er faselt von Freiheit. Was ist Freiheit?«
    »Freiheit ist – ich nenne nur ein Beispiel –, wenn jeder Chinese sich eine Flugkarte nach London oder Paris oder Rom kaufen kann, ohne die ›Einheit‹ um Erlaubnis fragen und um eine Ausreisegenehmigung kämpfen zu müssen. Freiheit ist, wenn jeder Chinese einen Reisepaß bekommen kann, wenn er seinen Arbeitsplatz wechseln kann und dorthin umzieht, wo es ihm gefällt. Freiheit ist, sich nicht das ganze Leben von der ›Einheit‹ bestimmen zu lassen. Freiheit ist Individualität, Shijun, und danach strebt zum Beispiel Jian, wie ein Verdurstender nach Wasser verlangt.«
    »Aber wie willst du ein Volk von über einer Milliarde Menschen zusammenhalten, wenn jeder tun kann, was er will? Der Westen macht es sich einfach mit seiner Kritik. Frankreich, Italien oder England zählen jeweils um fünfzig Millionen Einwohner. Die kann man überblicken und sie mit der sogenannten Freiheit beschenken, aber über eine Milliarde? China ist nicht bloß ein Staat, es ist eine eigene Welt! Ahnst du, was passiert, wenn über eine Milliarde Menschen in absoluter Freiheit leben wollen? Wenn die Sonne vom Himmel fällt, kann es nicht ärger sein. Jeder, der China eine westliche Demokratie verspricht, ist ein Brandstifter an unserer Erde!«
    »Tong Shijun, der große Kommunist! Der einen Dienstwagen mit Chauffeur hat, während Millionen Bauern noch heute ihren Holzpflug in den Boden drücken und ihre Zugochsen antreiben. So haben sie schon vor fünftausend Jahren gepflügt.«
    »Aus dem Holzpflug wird ein Stahlpflug werden, mehr aber auch nicht. Heute arbeiten an einer neuen Straße, an einer Flußregulierung, an einem Kanal

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