Der Jade-Pavillon
legte. Ein fast unmerkliches Zittern flog durch ihren Körper, als seine Finger über ihre Brustwarzen glitten. Sie war nackt unter dem hellblauen Bauernhemd, denn die Tage waren noch heiß. Eine große Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Hingabe wuchs in ihr, vermischt mit der Angst vor dem Augenblick, in dem aus einem Mädchen eine Frau wurde.
Nach der Säuberung des Büffels ging Lida in den Waschraum neben dem Stall und duschte sich. Huangs Haus war eines der wenigen in Huili, die einen solchen Waschraum besaßen. Er hatte sich dafür eine besondere Konstruktion einfallen lassen, hatte auf das feste Dach des Stalles eine große, verzinkte Tonne als Wasserspeicher gesetzt, hatte sie oben und unten angebohrt und zwei Kunststoffschläuche angeschlossen, und so konnte man in der kleinen Kammer duschen, und wenn die Tonne halb geleert war, füllte Huang sie wieder mit einer Handpumpe, so daß immer Wasser und der nötige Druck vorhanden waren. Einige im Dorf hatten ihm die Anlage nachgebaut, denn im Süden Chinas ist die Reinheit des Körpers ein tägliches Gebot, und jeder wäscht sich jeden Abend die Füße und den Unterleib, und schon von Kind an lernt man, daß dies zum ehrbaren Leben gehört.
Auch Jian duschte sich, nachdem Lida den Waschraum verlassen hatte. Er ahnte nicht, daß Lida unter den kalten Wasserstrahlen die Augen geschlossen und die Arme nach oben gestreckt hatte und daß ihr die Sehnsucht nach seiner Berührung fast das Herz zerspringen ließ. Sie wünschte, er könnte mit ihr jetzt unter der Dusche stehen, ihre nackten Leiber preßten sich aneinander, und seine Hände glitten über ihre Brüste, ihren Rücken und ihre Scham. So stand sie voll inniger Träume da, bis sie sich von ihrem Verlangen losriß, die Dusche abstellte und sich mit einem rauhen Handtuch abtrocknete.
Als Jian vom Duschen ins Haus zurückkam, saß sie in einem einfachen Baumwollkleid am Tisch; es war rot und an den Ärmeln, dem Kragen und dem Rocksaum mit einer selbstgestickten Borte verziert. Das nasse, lange schwarze Haar hatte sie mit einer gelben Schleife im Nacken zusammengebunden, und sie sah mit ihrem ovalen Gesicht, den dunklen Augen und den geschwungenen Lippen wunderschön aus.
Huang beobachtete sie beim Essen, und er fing an, etwas von den Empfindungen seiner Tochter zu ahnen. Um ihre Ehre zu retten und sein Gesicht nicht zu verlieren, gab er Jian wieder sein Bett neben der Tür, ließ Lida bei ihrer Mutter im Nebenzimmer schlafen und machte sich selbst unweit der Tür zu dieser Kammer ein Lager aus Maisstrohmatten und zwei Decken. Ein Fortschleichen der beiden in der Nacht war damit verhindert, aber brauchte man denn die Nacht, um der Liebe freien Lauf zu lassen? Es konnte auch in den kleinen Höhlen der roten Felsen geschehen, wenn Lida und Jian auf dem Feld waren, und es war gegen Huangs Ehrgefühl, sich anzuschleichen und sie zu beobachten.
Nach dem Essen, bei einer Flasche Bier, rauchte Huang seine von Großvater Huang Yuan geschnitzte Pfeife. Ein Wohlgefühl überkam ihn.
»Ich habe eine Bitte vorzubringen«, sagte Jian, als die Bierflasche ausgetrunken war und Jinvan eine neue Flache holte.
Lida stand neben dem Herd und spülte das gebrauchte Geschirr.
»Kann ich sie erfüllen?« fragte Huang und sah dem Rauch seiner Pfeife nach.
»Lida und ich möchten nach Lijiang reisen.«
»Das ist weit.«
»Es kann drei Tage dauern.« Jian holte tief Atem. Schon wieder verletzte er die strengen Regeln des Anstandes, nach denen die Miaos lebten. »Hast du Vertrauen zu mir, Keli? Gibst du deine Einwilligung?«
»Vertrauen in einen Menschen kann oft eine Anlage ohne Zinsen sein«, sagte Huang nachdenklich. »Ich vertraue deinem Willen und deinen Worten, aber auch der strengste Vorsatz kann verwehen wie Staub im Wind, wenn die Schwachheit im Menschen stärker wird als die Moral.«
»Du weißt, daß ich Lida heiraten werde.«
»In drei oder vier Jahren. Aber wenn die Familie Tong stärker ist als die Familie Huang – «
»Es gibt auf unserer Welt nichts Stärkeres als meine Liebe zu deiner Tochter. Die Tradition der Tongs hält sie bestimmt nicht auf. Es gibt keine Mauer, die ich nicht durchbrechen könnte.«
»Lida ist die Tochter eines armen Lehrers.«
»Ich will das nicht mehr hören!« Jian krallte seine Finger in Huangs linken Arm. »Keli, ich bin auch nur ein armer Student, und auf Reichtum und die Würde meines Vaters kann ich verzichten. Für mich gibt es ein anderes Leben als das, in dem ich aufgezogen
Weitere Kostenlose Bücher