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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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heilige Mutter Kirche findet drastische Worte«, kicherte der eine der beiden Reiter.
    »Das ist die Strafe, die für sie vorgezeichnet ist«, sagte der andere.
    »So ist es«, erklärte der Reiter, der nicht mehr auf seinem Pferd saß. »Steigt ab und schaufelt ein paar Handvoll Dreck zusammen. Zwei halten sie fest, und der dritte gießt ihr den Dreck in den Hals, bis sie daran erstickt ist. Das wird den Bauern jeden Zweifel daran nehmen, daß das göttliche Gericht am Werk war.«
    So geschah es.
    Drei Tage später wurde in einem anderen Dorf ein Mann vom Fluß an Land geworfen. Die Hütejungen, die ihn fanden, rannten Hals über Kopf nach Hause und alarmierten die Erwachsenen, aber auch diese konnten nichts mehr für ihn tun. Er war seit mindestens drei Tagen im Wasser gewesen, und er war so tot, wie er nur sein konnte. Da ihn niemand kannte und niemand wußte, ob er nicht etwa selbst den Tod gesucht hatte, beerdigten sie ihn am Ufer des Flusses in ungeweihter Erde, hart an der Stelle, wo sie ihn gefunden hatten. Es war schweißtreibende Arbeit, denn das Ufer war steinig, und niemand fand etwas daran auszusetzen, daß die zwei Männer, die das Grab aushoben, der Leiche die weichen Kalbslederstiefel auszogen, um sie für sich zu behalten. Der Mann würde sie ohnehin nicht mehr brauchen.
Das Reich der Hexe
    Leben stirbt, und Tod wird leben – stets beginnt das Ende neu.
    PETRUS DAMIANI,
Hymnen und Sequenzen

Herzlich Willkommen
    W ährend seiner Reise mit dem lärmenden und zäh vorankommenden Händlertreck wechselten Philipps Gedanken ständig zwischen seinem Auftrag und dem gestrigen Erlebnis hin und her, so sehr er sich auch bemühte, sich auf die Arbeit für Radolf Vacillarius zu konzentrieren. Letzten Endes kam er nicht weiter als bis zur Feststellung, daß er den Auftrag haßte und – abgesehen von einigen vagen Ideen, wie sich die Dokumente zu Radolfs Gunsten fälschen ließen – weder einen funktionierenden Plan zu seiner Durchführung noch den rechten Glauben an seine Ausführbarkeit besaß. Wäre er weniger wütend wegen gestern gewesen, hätte er vermutlich größeres Unbehagen über seine bevorstehende Arbeit verspürt.
    Als er sich an einer Straßenkreuzung vom Treck löste, war sein Ärger zu stark geworden, um andere Gedanken als die an Minstrel zuzulassen. Er schenkte dem dichten Wald, der sich bald nach der Straßenkreuzung erhob und Philipp in der Regel zu erhöhter Wachsamkeit veranlaßt hätte, keine Aufmerksamkeit. Er siedete buchstäblich vor Zorn.
    Zuerst, gestern abend, war er wie erstarrt gewesen vor Überraschung. Zurückzukommen in die Herberge und Minstrel in einen Frosch verwandelt wiederzufinden hätte ihn weniger unvorbereitet getroffen als die Situation, die der Sänger hinterlassen hatte. Der Sänger hatte nichts gestohlen, was von Wert gewesen wäre; tatsächlich hatte er
    überhaupt nichts gestohlen, aber das lag nicht an einer etwaigen Zurückhaltung seinerseits, sondern daran, daß Philipp nichts in der Kammer gelassen hatte, was des Stehlens wert gewesen wäre. Nicht, daß der Sänger nicht nach Wertsachen gesucht hätte, o nein: Das Lager hatte ausgesehen, als hätten zwanzig durstige Mongolen mit ihren Schwertern darin nach einem versteckten Eimer Pferdemilch gesucht, und in seiner Wut darüber, daß er nichts gefunden hatte, hatte Minstrel noch an der kargen Einrichtung beschädigt, was zu beschädigen gewesen war. Seine Wut, ja; wie groß sie auch gewesen sein mochte, sie erreichte nicht einen Bruchteil der Wut, die Philipp in seinem Bauch verspürte. Am Morgen, nach einer größtenteils durchwachten Nacht, sah die Sache jedoch nochmals anders aus: Der Zorn auf Minstrel war schal geworden, und statt dessen richtete sich Philipps Unmut jetzt gegen sich selbst. So naiv zu sein, einem völlig Fremden zu vertrauen, nur weil – er das Gefühl der Freundschaft geweckt hatte? Nur weil er höfliche Manieren und trotz seiner Sauferei einen Anstrich von Würde besessen hatte. Er ballte seine Hand wütend in seinem Wams und fand dabei den Schuldschein Minstrels. Er fuhr langsam mit einem Finger über das glatte Pergament. Geschickt gemacht, Sänger-Säufer-Dieb. Ich bin auch auf diesen Trick hereingefallen. Er zerknüllte den Schein wütend in seiner Tasche.
    So haderte Philipp mit sich selbst, bis er aus dem Wald heraus in eine Welt steiniger, karg bebauter Felder ritt, in deren Mitte sich der Schmutzfleck eines Dorfes erhob und seine Gedanken in eine gänzlich andere Richtung

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