Der Jakobsweg - El camino.
Ort gab es nicht mehr als 15 Häuser, eine Kirche und einen Getränkeautomaten. Es war also ein Ort zum Abschalten, Runterkommen und Nachdenken. Perfekt! Das brauchte ich jetzt mal!
Zum Abendessen gab es zunächst eine leckere Suppe, wobei ich nicht genau verstand, was sich darin befand. Anschließend aßen wir Reis mit Bohnen und Wurst und einen Salat. Bevor wir anfingen zu essen, stellte sich jeder in seiner Landessprache vor. Es war aufregend! Drei Deutsche, eine Brasilianerin und sechs Franzosen. Eine weitere Besonderheit an diesem Refugio war, dass es von Paulo Coelho unterstützt wird. Ich habe von diesem Mann noch nichts gelesen, aber er scheint weltberühmt zu sein. Sehr bekannt unter anderem das Buch „Der Alchimist“.
Im Anschluss an das Abendessen machte ich mit den Bayern erneut einen kurzen Dorfrundgang, bei dem wir sahen, wie ein Hase gehäutet wurde. Sah nicht gut aus, aber sei wohl alltäglich. Danach kümmerte ich mich noch wie jeden Abend um meine Füße und wir setzten uns anschließend ins Wohnzimmer und schauten uns Bücher an, die dort im Regal standen. Ich schaute mir ein Bilderbuch an und ein gewisser Unmut machte sich in mir breit, als ich sah, dass in Galizien jeder mit Regencape herumlief oder die Bilder meist Regen oder Nebel zeigten. Da musste ich noch durch. Dabei erklärte mir Acacio noch den Unterschied zwischen einer Albergue und einem Refugio. Ab diesem Tag nannte ich eine Albergue nie wieder Refugio und ein Refugio nie wieder Albergue. Ein Refugio ist in der Tat eine Art „Zuflucht“, eine Albergue hingegen dient der Übernachtung. Die Nacht zählte eindeutig zu einer der besten Nächte auf dem Camino, obwohl ich das in den ersten Sekunden und Minuten, die ich in dem alten Schuppen war, nicht erwartet hätte.
Tipp: Abwarten! Manchmal/Oft kommt es anders, als man denkt!
9. September 2011 – San Juan de Ortega
Nach dem „späten“ Start in Viloria de Rioja gegen 7:30 Uhr lief ich alleine los Richtung Belorado, was für mich am Vortag auch ein mögliches Etappenziel gewesen wäre. Dort musste ich heute ankommen, um am nächsten Tag entspannt nach Burgos laufen zu können und damit die Etappe dorthin weniger als 30 Kilometer lang war. In Belorado musste ich durch eine lange schmale Gasse gehen, wo sich an einigen Mauern mehrere schöne Graffitis zum Camino befanden. Bemerkenswert war, dass sich die Hände oder Füße mehrerer „Promis“ des Ortes in Beton eingelassen auf dem Boden befanden. Das eigentlich Bemerkenswerte war jedoch, dass meine Hände kleiner sind als die des spanisches Radfahrers Samuel Sanchez, der wiederum um einiges kleiner ist als ich.
Mein Etappenziel war heute das circa 36 Kilometer entfernte San Juan de Ortega. In Villafranca Montes de Oca füllte ich mir ein letztes Mal meine 1 Liter-Wasserflasche auf und machte mich dann auf den 12 Kilometer langen Schlussabschnitt, der noch zu einem der härtesten Abschnitte auf diesem Camino wurde.
Zwölf Kilometer, zwei Stunden und ein Liter Wasser bei 30°C im Schatten, der nicht bis auf den Weg fiel. Nach kürzester Zeit war der Großteil meiner Wasserflasche leer. Von da an konnte ich meinen Mund nur noch benetzen. Auch ein Gurgeln und Wegspucken des Wassers war mittlerweile undenkbar. Ich brauchte jeden Tropfen und überlegte nach einer gewissen Zeit sogar, ob ich die obere Wasserschicht aus Pfützen abschöpfen solle, denn ich konnte mich auch nur schlecht orientieren, da um mich herum nur Bäume waren, aber kein Dorf oder sonstige landschaftliche Besonderheiten. Zunächst ging es über einen zwei bis drei Meter breiten Weg bergauf. Das war alles weniger problematisch, da der komplette Weg durch die Bäume im Schatten lag. Dann jedoch wurde aus dem Pfad eine Feuerschneiße, die 50 bis 75 Meter breit war. Schatten boten nur die Bäume links und rechts des Weges, aber pausieren konnte ich nicht, schließlich hatte ich nicht mehr viel Wasser und die Anstrengung plus Hitze waren sehr unangenehm. Ich ging also schnellen Schrittes durch diese Einöde, die dadurch verstärkt wurde, dass ich kein Ziel und keine Orientierungspunkte sah. Kein Schild, keine Ortschaft. Nichts, was ich in der Ferne hätte erkennen können. Unterwegs traf ich nur auf etwa fünf Pilger. Auch sie hatten sich diesen Teil des Caminos auf den Mittag, in die Hitze gelegt.
Als dann schließlich ein Kirchturm am Ende des Waldstücks auftauchte, nahm ich auch den letzten Schluck aus meiner Flasche, denn jetzt war es vorbei. In diesem Ort
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