Der Jakobsweg - El camino.
musste es etwas zu trinken geben, ganz gleich, ob es kostenlos oder kostenpflichtig sei. Ich hatte einfach nur Durst, unglaublichen Durst. Ich hatte ständig noch einen kleinen Rest darin gelassen, denn es könnte immer jemanden geben, dem es noch schlechter ginge als mir. Meine Kondition hätte auch auf dieser Strecke im Schatten ausgereicht, nur für den Fall der Fälle wollte ich dann doch schon vorbereitet sein. Es genügte mir auch am Ende selber, den Mund lediglich mit einem kleinen Schluck zu benetzen, da die Hitze und der Staub den Mund total austrockneten und das sehr unangenehm war nach einer gewissen Zeit.
In San Juan de Ortega gab es etwa zehn Häuser und ein ehemaliges Kloster, in dem ich eine Unterkunft für die Nacht fand. Dieser Schlafsaal war für mich negativer als der aus Logroño , denn hier lagen etwa 30 Personen in einem Raum. Es gab drei Schlafsäle. Im zweiten traf ich Matteo wieder. Ich musste bis in den dritten durchgehen, wo ich das Glück hatte, eine sehr ruhige Nacht zu verbringen, denn die Schnarcher lagen anscheinend in den anderen Sälen.
Ich aß in einer kleinen Bar nebenan, die Tortilla mit Schinken und ein bisschen Salat für sechs Euro anbot. Für dieses Essen musste sich jeder eintragen, was mir total umständlich erschien. Stattdessen fragte ich an den Tischen, wo noch ein Platz frei war und ob ich mich setzen könne. So kam ich mit zwei Franzosen und einem Spanier ins Gespräch. Am Tisch sprachen wir fast ausschließlich Französisch, da wir das alle verstanden. Nach dem Essen bot mir der Spanier an, dass er mich gerne zu irgendetwas einladen möchte. Ich sagte ihm, dass ich noch zehn Euro habe und morgen in Burgos sowieso zu einer Bank müsse und dass es bis dahin noch reiche. Er lachte kurz und legte dann einen 50 Euro-Schein auf den Tresen. Ich nahm die Einladung dankend an und spendierte uns später zwei San Miguel-Biere, die wir dann vor dem Kloster tranken, worüber er sich sehr freute. Jose-Manuel war etwa 55 bis 60 Jahre alt, trug nur beste Klamotten und war gelernter Diplom-Ingenieur. Er hatte seine Firma verkauft und wollte jetzt einfach mal den Camino laufen und das Leben genießen. Er habe dafür nie Zeit gehabt. Nun, Jose-Manuel lief ihn nach seinen Aussagen auch nicht richtig. Wenn er keine Lust hatte, nahm er sich einfach ein Taxi, aber das war zweitrangig. Hauptsache er war hier. Er schlief zwar ausschließlich in Hotels, aber auch das war zweitrangig. Einmal mehr merkte ich, dass auf dem Camino alle Menschen gleich waren – egal wie arm, reich, fit oder krank. Die, die wenige Mittel zur Verfügung hatten oder auch körperlich beeinträchtigt waren und sich durchkämpften, verdienten meinen größten Respekt. Ich sah durchaus auch Menschen, die mehr als das Doppelte ihres Normal- oder Idealgewichts wogen und trotzdem den Camino liefen. Genauso aber auch behinderte und arme Menschen.
Jose-Manuel und ich sprachen über Fußball, Wirtschaft und Politik. Er war ein sehr netter Zeitgenosse – höflich, zuvorkommend und manchmal auch ein bisschen hochnäsig.
Die Nacht verlief dank der vielen Frauen in meinem Schlafsaal doch eher ruhig. Es waren auch einige Männer anwesend, diese hörte ich jedoch die Nacht über nicht. Matteo, der einen Saal weiter schlief, hatte nur Männer und musste sich bei Zeiten Ohrstöpsel in die Ohren stecken.
10. und 11. September 2011 – Burgos
Heute lief ich in San Juan de Ortega gegen 7:00 Uhr los. Aber schon nach wenigen Kilometern hatte ich starke Schmerzen im linken Schienbein. Selbst ein Schuhwechsel wollte daran nichts ändern. Der Schmerz war so stark, dass es eine riesige Überwindung war, den einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ich schaffte es trotzdem, heute etwa 15 km zu laufen, rief dann allerdings Ana an, dass sie mich am Ortseingang von Burgos abholen möge. Ana ist eine Freundin, die ich ein Jahr zuvor in Brüssel kennenlernte, wo wir studierten.
Im Nachhinein muss ich sagen, dass es die absolut richtige Entscheidung war, denn jedes Fortsetzen des Caminos hätte womöglich mein ganzes Konzept, in Santiago de Compostela anzukommen, zu einer unüberwindbaren Aufgabe gemacht. Mein Fuß brauchte definitiv mal Ruhe, denn 290 km in neun Tagen sind kein Pappenstil.
Ana kam auch prompt mit ihrem blauen VW Scirocco angefahren. Ein Vorteil war auf jeden Fall, dass wir so direkt zur Deutschen Bank-Niederlassung in Burgos fahren konnten, wo ich Geld abhob.
Anas Mutter Elisa hatte schon einiges vorbereitet und Cola, „San
Weitere Kostenlose Bücher