Der Jakobsweg
Benediktiner, aber die wurden während der Karlistenkriege verjagt. Der Grundstein wurde ja schon 1030 gelegt und zwar im Auftrag des Garcia III., der auch in Nájera das Kloster Santa María la Real bauen ließ. Auch hier gab es ein Wunder. Als man die Gebeine des Heiligen vom Bergkloster herabtrug, konnten sich die Träger plötzlich nicht mehr bewegen. Das war genau die Stelle, an der heute das Kloster steht. So hat der Heilige selbst den Ort bestimmt. Von diesem frühen Bauwerk ist aber nichts mehr vorhanden. Alle Einrichtungen stammen aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert.«
Er zeigte mir dann die Kirche, die Bibliothek mit den Handschriften und Büchern aus dem 16. Jahrhundert, manche so schwer, daß sie ein einzelner nicht zu tragen vermag, und die größten Kostbarkeiten des Klosters, seine Elfenbeinschnitzereien aus den Jahren um 1080.
»Leider wurden auch viele Schätze zerstört«, berichtete der Mönch Nikolas. »Besonders von Napoleons Soldaten, die 1809 unser Kloster heimsuchten und plünderten. Vieles ist für immer verloren, anderes ist in Museen von Leningrad, Berlin, New York, Madrid und Florenz wiederaufgetaucht.«
Ich erzählte Nikolas vom Rat des Pfarrers in Azofra, nach Suso zu gehen. Daraufhin führte mich der Mönch zu einem Kreuzgang und zeigte auf 25 große Tafelbilder, die bis zur Decke die Wände schmückten.
»Da ist das Leben des San Millán dargestellt«, und er erläuterte mir die Legenden vom Leben des Heiligen. »Er wurde Aemilian genannt und war der Sohn eines Hirten. Während er heranwuchs, hütete er die Herden. Nun geschah es, daß ein Eremit sich des Knaben annahm. Aemilian erwies sich als sehr gelehrig, und so wurde sein Lehrer, der Einsiedler Felix, nicht müde, den Jungen auszubilden. Als er ihn nichts mehr lehren konnte, zog Aemilian in die Berge und hauste dort in einer Höhle, um durch Gebet, Entsagung und Einsamkeit zu Erkenntnis zu gelangen. Er begann Wunder zu vollbringen und prophezeite den Menschen ihre Zukunft, gab ihnen Rat, Trost und Seelenfrieden. Viele Besucher kamen, manche wurden seine Jünger, und als er genau einhundert Jahre geworden war, erschien ihm ein Engel, der ihm verkündete, seine Lebensfrist sei jetzt abgelaufen. Daraufhin legte sich San Millán lächelnd zum Sterben nieder und hauchte seinen Atem aus. Selbst nach seinem Tod im Jahr 574 entströmte seinem Leichnam noch der Duft von frischen Rosen.«
»In welchem Jahr?« fragte ich, denn ich glaubte, die Jahreszahl falsch verstanden zu haben. Doch der Mönch blieb dabei, es sei in Schriften verbürgt. Aemilian wurde zu jener Zeit geboren, als die Westgoten in Spanien einfielen. Mit ihnen erst begann die Verbreitung der christlichen Religion im ganzen Land. Ich nehme an, die Bedeutung von San Millán rührt daher, weil er einer der ersten Einheimischen war, der das Christentum nicht nur verkündigte, sondern auch vorlebte.
Ich schulterte meinen Rucksack und verabschiedete mich von den freundlichen Augustinern.
»Wo wollen Sie denn jetzt noch hin? Es wird bald schon dunkel sein«, meinten sie.
Ich hätte nicht sagen sollen, daß ich nach Suso wollte, denn sie protestierten entschieden. Das ginge nicht, dort sei niemand. Suso wäre ganz und gar verlassen. Es reizte mich aber gerade, ein Kloster für mich allein zu haben, doch zu verführerisch war das in Aussicht gestellte Mahl. Ich würde einfach einen Tag länger bleiben und morgen in Suso übernachten.
Das Essen habe ich dann nicht mit den Mönchen eingenommen, was mich auch sehr gewundert hätte, sondern in der Küche, zusammen mit dem Wirtschafterehepaar.
Später, die Nachtwolken verdunkelten den Himmel und die Fledermäuse zickzackten über uns, erzählte Nikolas auf einer Bank im Hof aus seinem 87jährigen Leben. Und gerät ins Schwärmen, als er mir begeistert und mit viel ausschmückenden Worten von seiner Zeit als junger Missionar in Peru berichtet.
Das Bett ist zu weich und zu warm. Ich kann nicht einschlafen. Warum meinte wohl der Pfarrer, für mich sei San Millán de Suso ein wichtiger Ort? Weil der Heilige einer der ersten Verkünder des Christentums war? Glaubte er, einer wie er würde noch am ehesten die Seele einer Gottlosen erreichen? Wie auch immer, sein Ratschlag hat mir die Erlebnisse in dem Nonnenkloster Cañas geschenkt und die Aufnahme bei den gastfreundlichen Augustinern dazu.
11 San Millán de Suso
Ich schaue aus dem Fenster der »Klosterzelle«, einem rustikalen Gästezimmer. Die Bergkette leuchtet klar in
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