Der Janson-Befehl
scheißegal, was für Formulare Sie am Ende einreichen werden. Aber wenn Sie ein Soldat sind, wenn Sie ein Mann sind, werden Sie zuerst Ihre Männer befreien: Das ist Ihre Pflicht. Und dann gehen Sie meinetwegen allen disziplinarischen Verrichtungen nach, die Ihr kleines Bürokratenherz sich wünscht.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Also?«
»Erwarte Gitterkoordinaten, Sir.«
Demarest nickte bedächtig und reichte Janson dann ein Blatt blaues Papier mit sorgfältig getippten Einsatzdetails. »Eine Huey steht aufgetankt draußen.«
Er warf einen Blick auf die große runde Uhr an der Wand ihm gegenüber. »Die Crew ist in fünfzehn Minuten startbereit. Hoffentlich sind Sie das auch.«
*
Stimmen.
Nein, eine Stimme.
Eine leise Stimme. Eine Stimme, die nicht wollte, dass man ihr zuhörte. Aber die Zischlaute waren nicht zu überhören.
Janson schlug die Augen auf, sah sich vom Dunkel des Schlafzimmers umgeben, das von dem durch die Fenster hereinfallenden Mondlicht etwas erhellt wurde. Unruhe baute sich in ihm auf.
Ein Besucher? Im US-Generalkonsulat in Mailand an der Via Principe Amadeo gab es eine Außenstelle von Consular Operations - und Mailand war nur fünfzig Minuten von hier entfernt. Hatte Jessie irgendwie mit ihnen Kontakt aufgenommen? Er stand auf, fand seine Jacke und tastete die Taschen nach seinem Handy ab. Es war verschwunden.
Hatte sie es geholt, während er geschlafen hatte? Hatte er es einfach unten gelassen? Er schlüpfte in einen Bademantel, holte die Pistole unter seinem Kissen hervor und ging hinaus, die Treppe hinunter, auf die Stimme zu.
Jessies Stimme. Im Erdgeschoss.
Auf halber Höhe der Steintreppe blieb er stehen und sah sich um. Im Arbeitszimmer brannte Licht, und die Unregelmäßigkeit der Beleuchtung würde ihm die Deckung verschaffen, die er brauchte - die hellen Lichter im Haus und das Halbdunkel draußen. Noch ein paar Schritte. Er konnte Jessie jetzt im Arbeitszimmer stehen sehen, das Gesicht der Wand zugewandt, sein Handy am Ohr. Sie redete leise.
Er hatte das Gefühl, eine eisige Faust würde sich um seinen Magen krampfen: Es war so, wie er das befürchtet hatte.
Aus den Gesprächsfetzen, die durch die offene Tür zu ihm drangen, war offensichtlich, dass sie mit einem Kollegen von Consular Operations in Washington sprach. Er schob sich näher an das Arbeitszimmer heran, und ihre Stimme wurde deutlicher.
»Sein Status ist also immer noch >nicht zu retten<«, wiederholte sie. »Auf Sicht sanktioniert.«
Sie vergewisserte sich, dass der Tötungsbefehl noch in Kraft war.
Ein Schauder lief ihm über den Rücken. Er hatte jetzt keine Wahl mehr, musste tun, was er schon viel früher hätte tun müssen. Es hieß töten oder getötet werden. Die Frau war eine professionelle Meuchelmörderin: dass ihr Beruf einmal auch der seine gewesen war, blieb ohne Belang - und das Gleiche galt auch für ihre Auftraggeber. Er hatte keine Wahl, er musste sie eliminieren; Sentimentalität und Wunschdenken und ihr geschicktes Gequatsche hatten ihn von der ganz entscheidenden Wahrheit abgelenkt.
Während draußen die Grillen in der abendlichen Brise zirpten - im Arbeitszimmer stand ein Fenster offen -, nahm er die Pistole in die rechte Hand und folgte der auf und ab gehenden Gestalt Jessies mit dem Lauf der Waffe. Die plötzliche Gewissheit, was er tun musste, erfüllte ihn mit Ekel, Abscheu vor sich selbst. Aber es gab keine andere Möglichkeit. Töten oder getötet werden: Das war das schreckliche Klischee einer Existenz, von der er gehofft hatte, sie ein für alle Mal hinter sich zurückgelassen zu haben. Und es milderte auch die noch größere Wahrheit nicht, jene Wahrheit, die die Essenz seiner Karriere gewesen war: töten und getötet werden.
»Was steht denn in den Berichten?«, sagte sie. »Die neuesten Signale? Jetzt sagen Sie mir bloß nicht, Sie arbeiten blind.«
Janson musterte kühl die eher schmächtige Frau, die Rundungen ihrer Hüften und Brüste an ihrem sonst muskulösen Körper; auf ihre Art war sie wirklich sehr schön. Er wusste, wozu sie fähig war - hatte mit eigenen Augen ihre erstaunliche Treffsicherheit gesehen, ihre außergewöhnliche Kraft, ihre Beweglichkeit miterlebt, ihren schnellen, klaren Verstand. Sie war dazu gebaut zu töten, und nichts würde sie davon abhalten, genau das zu tun.
»Und sind die Boys in Position oder hocken sie bloß auf ihrem fetten Hintern?«
Sie war nach wie vor bemüht, leise zu sprechen, aber ihr Tonfall wirkte hitzig,
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