Der Janson-Befehl
immer noch mit den Messingfalttüren ausgestattet, die man ursprünglich um 1910 eingebaut hatte, und auch die inzwischen fast schwarz gewordene Vertäfelung aus Kiefernholz hatte man noch nicht ausgetauscht. Der Eigentümerausschuss des Gebäudes stand der Junta von Myanmar an autoritärem Gehabe und Starrheit nicht nach; man konnte sich darauf verlassen, dass er die Anträge von Kaufinteressenten ablehnte, die sich als »extravagant« erweisen könnten - seine Lieblingsformulierung, wenn es darum ging, jemanden abzuwerten. Zehn-Sechzig Fifth Avenue nahm mit Freuden Kunstmäzene auf, aber keine Künstler. Opernmäzene befürwortete es, einen Opernsänger würde es nie auch nur in Erwägung ziehen. Jene, die im guten Bürgersinn die Kultur unterstützten, wurden geehrt, jene, die Kultur schafften, verschmäht.
»Im Stockwerk über ihr gibt es eine Lady namens Agnes Cameron«, sagte Kincaid. »Sie sitzt im Verwaltungsrat des Metropolitan Museum of Art, makelloser gesellschaftlicher Ruf. Ich habe das Büro des Direktors angerufen, mich als Journalistin ausgegeben und erklärt, ich würde gerne einen Artikel über Agnes Cameron schreiben. Wie ich ihm sagte, habe man mir erklärt, sie sei gerade in einer Besprechung, ich müsste aber unbedingt ein paar Zitate überprüfen. Eine äußerst rotzige Frau hat mich abgewimmelt: >Nun, das ist unmöglich, Mrs. Cameron befindet sich im Augenblick in Paris<, hat sie gesagt.«
»Und das ist die beste Kandidatin?«
»Ich denke schon. Nach den Unterlagen der Telefongesellschaft hat sie sich letztes Jahr eine DSL-Internetverbindung installieren lassen.«
Sie reichte Janson ein T-Shirt, das auf dem Rücken das schwarzrote Verizon-Logo trug und dem ihren entsprach. »Dein guter Freund Cornelius hat einen Bruder bei der Verizon«, erklärte sie. »Der bekommt die Dinger zu Großhandelspreisen. In Herren- und Damengrößen.«
Als Nächstes reichte sie ihm einen Werkzeuggürtel, den er sich um die Hüften schnallte. Ein grell orangefarbenes Testtelefon war der klobigste Ausrüstungsgegenstand, der an dem Gürtel hing. Schließlich wurde die Kostümierung durch einen grauen Werkzeugkasten abgerundet.
Als sie auf den Türsteher unter der Markise zugingen, übernahm Jessie Kincaid das Reden. »Wir haben eine Kundin, die, glaube ich, augenblicklich im Ausland ist, aber ihre DSL-Leitung macht Mucken, und sie hat uns gebeten, das in Ordnung zu bringen, während sie nicht da ist.«
Sie hielt ihm einen in Plastik eingeschweißten Ausweis hin. »Der Name der Kundin ist Cameron.«
»Agnes Cameron, im siebten Stock«, nickte der Türsteher. Seinem Akzent nach vermutete Janson, dass er aus Albanien stammte. Seine Wangen zeigten leichte Akne-spuren, und seine Schildmütze saß hoch auf einer lockigen braunen Mähne. Er ging hinein und besprach sich mit dem Wachmann. »Reparaturleute von der Telefongesellschaft. Mrs. Camerons Wohnung.«
Sie folgten dem Mann in die elegante Lobby, die in einer Art Harlekinsmuster mit schwarzen und weißen Marmorfliesen ausgelegt war.
»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
Der zweite Türsteher, ein breitschultriger Mann, vermutlich ebenfalls albanischer Herkunft, hatte auf einem runden Hocker gesessen und mit dem Wachmann gesprochen. Jetzt erhob er sich. Offenbar war er der Vorgesetzte des anderen Türstehers und wollte demonstrieren, dass er derjenige war, der hier die Entscheidungen treffen würde.
Er musterte die beiden ein paar Augenblicke lang stumm und mit finsterer Miene. Dann nahm er einen antik wirkenden Bakelithörer auf und drückte ein paar Knöpfe.
Janson sah Kincaid an: Mrs. Cameron sollte doch im Ausland sein. Sie zuckte kaum sichtbar mit den Schultern.
»Reparaturleute von Verizon«, sagte er. »Sie sollen eine Telefonleitung reparieren. Warum? Das weiß ich nicht.«
Er legte die Hand über die Sprechmuschel und drehte sich zu den beiden Besuchern herum. »Mrs. Camerons Haushälterin sagt, sie sollen wiederkommen, wenn Mrs. Cameron da ist. Nächste Woche.«
Jessie rollte theatralisch die Augen.
»Dann gehen wir eben«, nickte Paul Janson und gab sich verstimmt. »Tun Sie uns einen Gefallen: Wenn Sie Mrs. Cameron sehen, sagen Sie ihr, dass es ein paar Monate dauern wird, bis wir wieder einen Termin machen können, um ihren DSL zu reparieren.«
»Ein paar Monate?«
»Im Augenblick sind es etwa vier Monate«, erwiderte Janson mit unnachgiebiger professioneller Ruhe. »Könnte weniger werden, oder auch mehr. Wir haben einen unglaublichen
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