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Der Janson-Befehl

Titel: Der Janson-Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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ich die Entscheidung für Sie treffen.«
    »Wird das lang dauern?«, fragte sie.
    Janson hörte jetzt im Hintergrund Choralmusik. Hildegard von Bingen. Seine Nackenhaare sträubten sich. »>Das Hohelied der Ekstase««, sagte er. »Der lange Schatten Alan Demarests.«
    »Wie? Darauf habe ich ihn gebracht«, sagte sie und zuckte die Schultern. »Als wir noch Teenager waren.«
    Janson starrte sie an, sah sie, als sähe er sie das erste Mal. Plötzlich fügte sich eine ganze Reihe winziger Details zusammen, die ihm zugesetzt hatten. Ihre Kopfbewegung, die Art und Weise, wie sich ihr ganzes Verhalten, ihr Tonfall plötzlich total veränderten ... ihr Alter, selbst gewisse Redewendungen.
    »Herrgott im Himmel«, sagte er. »Sie sind.«
    »Seine Zwillingsschwester. Ich sagte doch, dass zwischen Geschwistern starke Bande bestehen.«
    Sie fing an, die Hautpartie unter ihrem linken Schlüsselbein zu massieren. »Die fabelhaften Demarest-Zwillinge. Eine Doppelportion Verdruss. Die Zwillinge, die als Teenager das beschissene Fairfield terrorisiert haben. Diese Schwachköpfe von Moebius haben nie gewusst, dass Alan mich da mit hineingebracht hat.«
    Während sie das sagte, wurden ihre kreisenden Finger-bewegungen kräftiger, hartnäckiger, so als juckte sie etwas unter der Haut. »Wenn Sie also glauben, dass ich ihn aufgebe, wie Sie es so elegant formuliert haben, sollten Sie darüber besser noch einmal nachdenken.«
    »Sie haben keine Wahl«, sagte Janson.
    »Was macht sie da?«, fragte Jessica leise.
    »Wir haben immer eine Wahl.«
    Marta Langs Bewegungen wurden langsamer, gezielter; sie fing an, mit den Fingern an ihrem Schlüsselbein herumzubohren. »Ah«, sagte sie. »Das ist es ... Das ist es. Oh, das fühlt sich schon viel besser an.«
    »Paul!«, schrie Jessica. Sie begriff den Bruchteil einer Sekunde schneller als er. »Lass nicht zu...!«
    Es war zu spät. Mit einem kaum hörbaren Knacken zerbrach eine unter ihrer Haut befindliche Ampulle. Die Frau warf den Kopf wie in Ekstase in den Nacken, und ihr Gesicht lief purpurrot an, ein leises, fast sinnliches Stöhnen kam über ihre Lippen und ging gleich darauf in ein gurgelndes Geräusch tief in ihrer Kehle über. Die Kinnlade fiel ihr schlaff herunter, ein Speichelfaden rann ihr aus dem Mundwinkel. Dann drehten sich ihre Augen nach oben, sodass durch die halb geöffneten Lider nur noch das Weiße zu sehen war.
    Aus unsichtbaren Lautsprechern sangen die gespenstischen Stimmen:
    Gaudete in ilio, quem no viderunt in terris multi, qui ipsum ardenter vocaverunt, Gaudete in capite vestro.
    Janson legte die Hand auf Marta Langs Hals, tastete nach ihrem Puls, wohl wissend, dass er ihn nicht finden würde. Die Anzeichen einer Zyankalivergiftung waren nur schwer zu übersehen. Sie hatte den Tod der Kapitulation vorgezogen, und Janson hätte nicht entscheiden können, ob dies nun Mut oder Feigheit war.
    »Wir haben immer eine Wahl«, hatte die tote Frau gesagt. Wir haben immer eine Wahl. Eine andere Stimme, Jahrzehnte zurückliegend, hallte in seinem Gedächtnis nach: einer der Vietkong, die ihn verhört hatten, der Mann mit der Nickelbrille. Nicht entscheiden heißt entscheiden.

38
    Die Konsole auf dem Schreibtisch des Generalsekretärs gab einen dezenten Glockenton von sich. Dann Helgas Stimme: »Tut mir Leid, wenn ich störe, aber es ist noch einmal Mr. Novak.«
    Mathieu Zinsou sah die Hochkommissarin für das Flüchtlingswesen an, eine ehemalige irische Politikerin, deren lebhaftes Wesen auch ein erhebliches Maß an Redseligkeit mit sich brachte; im Augenblick lag sie im Clinch mit dem Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten, der dafür bekannt war, Kompetenzstreitigkeiten mit unnachgiebigem und recht unhumanitärem Eifer auszufechten. »Madame MacCabe, es tut mir schrecklich Leid, aber das ist ein Anruf, den ich unbedingt entgegennehmen muss. Ich glaube, ich habe Ihre Besorgnis hinsichtlich einengender Vorschriften aus der Abteilung für politische Angelegenheiten begriffen, und nehme an, dass wir eine Einigung finden können, wenn wir alle Vernunft walten lassen. Bitten Sie Helga, dass sie die zuständigen Personen zu einer Besprechung einlädt.«
    Er stand auf und verbeugte sich mit einer fast höfisch wirkenden Geste vor ihr, die keinen Zweifel daran ließ, dass die Besprechung beendet war.
    Dann nahm er den Hörer ab. »Ich verbinde mit Mr. Novak«, sagte eine Frauenstimme. Ein paar klickende Laute und ein elektronisches Schnarren waren zu hören, dann

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