Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs
damit ich ein sauberes Zentrum für meine Aktionen hatte. Mir blieben drei Tage, um das Haus leer zu kriegen, mit dem Vermieter zu dealen und die Katze umzusiedeln. Ich hatte dafür bewußt nicht mehr Zeit eingeplant, um nicht den Blues zu kriegen. Für Putzi, die enthemmt mit mir schmuste und in meinen Ärmel zu kriechen versuchte, gab’s bereits eine Lösung. Die Chefin eines Riad-Hotels, mit der ich erst vor einer Stunde gesprochen hatte, wollte sie, um ihre Mäuse loszuwerden. Ein gutes Ziel, aber der Weg dahin war hart.
Putzi verließ in einem Wäschekorb zum ersten Mal in ihrem Leben unser Haus und miaute gottserbärmlich. Katzen nehmen die Welt hauptsächlich über ihre Ohren wahr, und was sie auf den Gassen der Medina zu hören bekam, ließ sie vor Angst durchdrehen. Eselkarren, Motorräder, Hunde, tobende Kinder, brüllende Händler, und als wir aus dem Basar heraus waren und den Djemaa el Fna erreichten, den großen Platz in der Mitte der alten Stadt, kamen noch die tausend Stimmen der Gaukler, Boxer, Artisten und Marktschreier hinzu sowie das Zischen der Schlangen, das Kreischen der Affen und die Trommeln der Berber. «Miau, miau, miau.» Endlich im Hotel Les Couleurs de L’Orient angekommen und aus dem Korb gelassen, verschwand Putzi unter dem Bett des nächstbesten freien Zimmers und ward drei Tage nicht mehr gesehen. Danach stemmten wir das Bett hoch und siedelten Putzi noch mal um, denn inzwischen hatte sich Omars Sohn bereit erklärt, sie zu nehmen, und das war die bessere Lösung, denn sie kannte ihn und seine Familie gut.
Ich hatte mal ein Stammlokal in Marrakesch. Es heißt «Café Glacier», und auf seiner Terrasse haben bereits die Rolling Stones, Cat Stevens und Jimi Hendrix mit Ausblick auf den Djemaa el Fna Minztee getrunken. Hier traf ich den Vermieter und seinen Assistenten. Ich brachte Habib zum Übersetzen mit. Auch er ein Fünfzehn-Jahre-Marrakesch-Freund, aber einer, der fließend Deutsch spricht. Der Vermieter meinte, er habe sieben Monate keine Miete mehr von mir gesehen. Er rechnete die vier Monate nach Vertragsende mit, weil das Haus nicht geräumt gewesen sei. Außerdem bekomme er noch die fünfzehntausend Euro für irgendwas. Ich sagte, die fünfzehntausend seien Quatsch und die offene Miete würde ich auch nicht bezahlen. Er sagte, dann verklage er Peter. Habib erklärte mir auf deutsch, daß der Vermieter bluffe, denn Mietklagen dauerten in Marokko ewig, und um sie in Gang zu setzen, müsse der Kläger erst mal zwanzigtausend Euro für die Gerichtskasse vorlegen. Das mache der nie, sagte Habib, aber er wolle sein Gesicht behalten. Er brauche einen Kompromiß. Ich sagte, ich würde drei Monate zahlen, und der Vermieter sagte «wacha», das heißt «okay».
Einen Tag später trafen wir uns am selben Ort wieder. Ich übergab dem Vermieter die drei Monatsmieten, er legte mir einen Auflösungsvertrag auf arabisch vor. Habib mußte, während er ihn übersetzte, ein bißchen lachen: «Er hat bereits einen Nachmieter, und der übernimmt laut Vertrag hier eure angeblichen fünfzehntausend Euro Schulden bei ihm. Der Mann kann nicht anders. Dich kann er nicht verarschen, also verarscht er einen anderen. Irgendwen muß er verarschen, sonst schläft er nicht gut.»
Am einfachsten aber war das Ausräumen des Hauses. Ich sagte Omar, ich bräuchte fünf Leute und jeder könne behalten, was er wolle. Nach nicht mal vierundzwanzig Stunden war der Riad immer noch saudreckig, aber ratzeputzleer. Sie hatten alles, aber wirklich alles aus den sieben Räumen, der Küche, dem Innenhof und den Bädern mitgenommen, sogar die Toilettenschüsseln. An meinem letzten Abend saß ich in diesem gänzlich entkleideten Traum bei Kerzenlicht, um ein bißchen zu weinen, aber kam nicht dazu, weil plötzlich der Gesang des Muezzins erklang und die Trauer wegwischte. Allah ist groß, Allah ist mächtig, und ich stand auf und ging noch mal, solange der Muezzin sang, um die Bäume und den Brunnen im Kreis herum, so wie ich es früher gemacht hatte. Ich hatte mal ein Problem in Marrakesch. Es war vorbei. Nach sieben Runden gab Allah Ruhe.
Die Astrologen von Varanasi
(Indien)
W er bin ich? Warum bin ich? Welche Aufgabe habe ich? Man drängte mich, diese Fragen zu beantworten, ich konnte aber nur zur dritten sofort und sicher etwas sagen, zur ersten und zweiten nicht. Um bei der Wahrheit zu bleiben: Auch zur ersten fiel mir sofort was ein, aber ich wollte es nicht glauben, ich hatte nicht den Mut, die Antwort wäre
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