Der Joker
nichts. Ist vermutlich auch besser.
»Mit dem Beistelltisch alles klar?«, frage ich.
Sie lacht beinahe hinterhältig und sagt: »Aber sicher - geh und schau ihn dir noch mal an.«
Ich trete ins Wohnzimmer und traue meinen Augen nicht: Da steht auf einmal ein anderer Tisch!
»He!«, schreie ich in Richtung Küche. »Das ist nicht der, den ich dir gebracht habe!«
Sie kommt ins Wohnzimmer. »Stimmt. Er hat mir doch nicht gefallen.«
Jetzt bin ich echt sauer. Ganz ehrlich. Ich mache eine Stunde früher mit meiner Schicht Schluss, um ihr diesen Scheißbeistelltisch zu bringen, und jetzt ist er nicht gut genug. »Was zum Teufel ist passiert?«
»Ich habe mit Tommy telefoniert, und er sagte mir, dass dieses Zeug aus Kiefernholz ziemlich gewöhnlich ist und nicht besonders lange hält.« Sie legt ihr ganzes Gewicht in diesen Satz. »Und dein Bruder kennt sich mit solchen Sachen aus, glaub mir. Er hat sich in der Stadt einen alten Zedernholztisch gekauft. Hat den Typen auf dreihundert runtergehandelt und die Stühle zum halben Preis gekriegt.«
»Na und?«
»Er weiß, was er tut. Anders als einige Leute, die ich kenne.«
»Du hast mich nicht gebeten, den da abzuholen.«
»Warum in Gottes Namen hätte ich das tun sollen?«
»Du hast dir doch den anderen von mir bringen lassen.«
»Ja, aber seien wir doch ehrlich, Ed«, sagt sie. »Dein Lieferservice lässt einiges zu wünschen übrig.«
Die Ironie der Sache ist mir nur zu deutlich bewusst.
»Alles klar, Ma?«, frage ich sie später. »Ich gehe gleich einkaufen. Brauchst du was?«
Sie denkt nach.
»Leigh kommt nächste Woche, und ich will einen Schokoladen-Haselnuss-Kuchen backen, für sie und die Familie. Du könntest geriebene Haselnüsse mitbringen.«
»Klar, Ma.«
Und jetzt verpiss dich, Ed , denke ich, als ich zur Tür hinausgehe. Genau das ist es, was sie jetzt denkt, da bin ich mir sicher.
Es gefällt mir, Jimmy zu sein.
»Weißt du noch, wie du mir früher immer vorgelesen hast, Jimmy?«
»Ich erinnere mich«, sage ich.
Ich bin wieder bei Milla. Es ist Abend.
Sie streckt die Hand aus und legt sie auf meinen Arm. »Könntest du ein Buch nehmen und mir ein paar Seiten vorlesen? Ich mag den Klang deiner Stimme so sehr.«
»Welches Buch?«, frage ich, als ich vor dem Regal stehe.
»Mein Lieblingsbuch«, antwortet sie.
Mist... Ich schaue mir die Buchrücken an, die auf meiner Augenhöhe stehen. Welches ist ihr Lieblingsbuch?
Aber es ist völlig egal.
Welches Buch auch immer ich aussuche, es wird ihr Lieblingsbuch sein.
»›Die Sturmhöhe‹?«, schlage ich vor.
»Woher wusstest du das?«
»Intuition«, sage ich und fange an zu lesen.
Sie schläft nach ein paar Seiten auf dem Sofa ein und ich wecke sie und helfe ihr nach oben.
»Gute Nacht, Jimmy.«
»Gute Nacht, Milla.«
Während ich nach Hause laufe, ritzt sich etwas in den Rand meines Geistes ein. Es ist ein Stück Papier, das in dem Buch steckte, als Lesezeichen. Es war ein ganz normales, dünnes Stück Papier, von einem Notizblock, ganz gelb und alt. Ein Datum stand drauf - 1.5.41 - und ein paar Worte in einer krakeligen, typisch männlichen Handschrift. Ein bisschen wie meine eigene.
Da stand:
Liebste Milla,
meine Seele braucht deine.
In Liebe,
Jimmy
Bei meinem nächsten Besuch holt sie ihre alten Fotoalben heraus und wir schauen sie uns an. Sie deutet ständig auf einen Mann, der sie im Arm hält oder sie küsst oder einfach nur alleine dasteht.
»Du hast schon immer so gut ausgesehen«, sagt sie zu mir. Sie berührt sogar Jimmys Gesicht auf den Bildern, und ich begreife, was es bedeutet, jemanden so zu lieben wie Milla diesen Mann. Ihre Fingerspitzen sind aus Liebe gemacht. Wenn sie spricht, ist ihre Stimme reine Liebe. »Du hast dich ein bisschen verändert, aber du siehst immer noch gut aus. Du warst immer der hübscheste Junge in der ganzen Stadt. Das haben alle Mädchen gesagt. Selbst meine Mutter hat immer gesagt, wie großartig du bist, wie liebevoll und stark, und dass ich es dir vergelten und dich gut behandeln soll.« Sie schaut mich an und in ihrem Blick liegt
ein Anflug von Panik. »Ich habe dich doch gut behandelt, Jimmy, oder nicht? Ich habe es dir vergolten, nicht wahr?«
Ich schmelze.
Ich schmelze und schaue in ihre alten, aber wunderschönen Augen. »Du hast es mir vergolten, Milla. Du hast mich gut behandelt. Du warst die beste Frau, die sich ein Mann nur wünschen kann.«
Da bricht sie zusammen und weint meinen Ärmel nass. Sie weint und
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