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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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hinüber zum Briefkasten. Die Sterne sind vollständig verschwunden, und ein hauchzarter Nieselregen fällt, während jeder Schritt mich näher bringt. Meine Hand zittert. Ich beuge mich vor und öffne die Klappe. Ich greife hinein.
    Ich berühre etwas Kaltes, Schweres.
    Meine Finger umfassen den Abzug.
    Ein Schauer überläuft mich.

K
    Mord im Dom
    In der Waffe befindet sich eine einzige Kugel. Eine Kugel für einen Mann. In diesem Augenblick bin ich der unglücklichste Mensch auf Erden. Du bist nur Taxifahrer, Ed! , sage ich zu mir. Wie zum Teufel bist du in diesen Schlamassel geraten? Du hättest in der Bank einfach auf dem Boden liegen bleiben sollen.
    Ich sitze an meinem Küchentisch und die Waffe in meiner Hand wird warm. Der Türsteher ist wach und verlangt nach Kaffee, und ich kann nichts anderes tun, als immer nur diese Waffe anstarren. Es hilft auch nichts, dass derjenige, der diese ganze Sache hier inszeniert, mir nur eine einzige Kugel zur Verfügung stellt. Begreift der Kerl denn nicht, dass ich mir aller Wahrscheinlichkeit nach selbst den Fuß
abschießen werde, bevor ich überhaupt richtig angefangen habe? Ich weiß es nicht. Das geht jetzt wirklich zu weit. Eine Waffe, Herrgott noch mal! Ich kann doch niemanden umbringen! Ich bin ein Feigling. Ich bin schwach. Und während des Banküberfalls hatte ich einfach unglaubliches Glück - niemand hat mir je beigebracht, eine Waffe zu benutzen …
    Ich bin jetzt sauer.
    Warum wurde ausgerechnet ich auserwählt? , quengele ich, obwohl ich ohne zu fragen weiß, was ich zu tun habe. Bei den anderen beiden hast du Freude empfunden , gei ßele ich mich selbst. Also musst du jetzt auch diese Angelegenheit durchziehen.
    Was ist, wenn ich es nicht tue? Vielleicht wird sich die Person am Telefon dann mich vorknöpfen. Vielleicht geht es auch nur einzig und allein darum: Ich führe diesen Auftrag aus oder ich lasse mir selbst die fehlenden Kugeln in den Bauch schießen.
    Scheiße, jetzt kann ich endgültig nicht mehr schlafen.
    Mir platzt gleich der Schädel, verdammt noch mal!
    Ich durchwühle die alte Plattensammlung, die mir mein Vater hinterlassen hat. Um Stress abzubauen. Fieberhaft krame ich durch die Alben und finde, was ich suche - die Proclaimers. Ich lege die Platte auf und schaue zu, wie sie sich dreht. Die lächerlichen Anfangsnoten von »Five Hundred Miles« erklingen, und ich habe das Gefühl, als müsste ich Amok laufen. Selbst die Proclaimers ziehen mich heute Nacht runter. Ihr Gesinge ist zum Kotzen.
    Ich marschiere im Zimmer auf und ab.
    Der Türsteher schaut mich an, als ob ich verrückt geworden wäre.

    Ich bin verrückt geworden. Jetzt ist es amtlich.
    Es ist drei Uhr morgens. Ich spiele die Proclaimers lauter, als gut für sie ist, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich demnächst jemanden töten muss. Da hat mein Leben doch endlich eine gute Wendung bekommen, was?
    Eine Waffe.
    Eine Waffe.
    Die Worte schießen durch mich hindurch, und ich schaue ständig das Ding an, um mich davon zu überzeugen, dass es real ist. Weißes Licht aus der Küche dringt ins Wohnzimmer, und der Türsteher streckt seine Pfoten aus und kratzt mich sanft, fordert eine Streicheleinheit.
    »Verpiss dich, Türsteher!«, spucke ich hervor, doch seine großen braunen Augen flehen mich an, mich zu beruhigen.
    Ich falle in mich zusammen und kraule ihn am Bauch, entschuldige mich bei ihm und mache uns Kaffee. Dass ich heute Nacht noch schlafe, ist ausgeschlossen. Die Proclaimers wärmen sich gerade auf und machen sich für jenen Song bereit, der von Unglück zu Glück führt - die Fortsetzung von »Five Hundred Miles«.
     
     
    Schlaflosigkeit kann einen umbringen , denke ich, als ich mit dem Taxi aus der Stadt zurückkomme. Es ist der nächste Tag. Meine Augen brennen und jucken. Ich fahre mit geöffnetem Fenster. Die warme Luft labt sich an meinen Augen, aber ich lasse sie gewähren. Die Pistole liegt unter meiner Matratze, dort wo ich sie letzte Nacht versteckt habe. Ich habe eine Waffe im Bett und die Spielkarte in der Schublade. Schwer zu sagen, was von beidem der größere Fluch ist.
    Ich befehle mir, mit dem Gejammer aufzuhören.

    Auf dem Parkplatz des Taxiunternehmens sehe ich Audrey einen der neuen Jungs küssen, die vor kurzem hier angefangen haben. Er ist etwa so groß wie ich, treibt aber ganz offensichtlich Sport. Ihre Zungen berühren einander, massieren sich. Seine Hände liegen auf ihren Hüften und ihre stecken in den Gesäßtaschen seiner Jeans.
    Wie

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