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Der Judas-Code: Roman

Titel: Der Judas-Code: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins , Norbert Stöbe
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benutzt, Sie in die Entschlüsselung des Rätsels einzuspannen.«
    Vigor ließ sich auf die Treppe niedersinken und schlug die Hände vors Gesicht.
    Gray stand etwas abseits und überdachte mit glasigem Blick die Ereignisse des Vormittags. Als Seichan sich ihm zuwandte, straffte er sich.
    »Dann weiß Nasser also, dass wir ihn hintergehen wollten«, sagte Gray. »Er weiß, dass wir den ersten Schlüssel gefunden haben. Er weiß alles.«
    »Nicht unbedingt.« Seichan fasste Vigor bei der Schulter, zog ihn hoch und schob Gray zur Treppe. »Deshalb habe ich ihn ja erschossen. Ich glaube, er hatte noch gar keine Zeit, mit Nasser zu sprechen. Ich habe ihn ausgeschaltet, bevor er alles noch schlimmer machen konnte.«
    »Schlimmer?« Gray weigerte sich erbost weiterzugehen. »Sie hätten ihn festnehmen können. Wir hätten ihn als Geisel benutzen können. Es gab zahllose Möglichkeiten!«
    »Allesamt zu riskant!« Seichan stellte sich seinem Zorn und trat dicht vor ihn hin. »Geht das nicht in Ihren Schädel, Gray? Nassers Plan, unser Plan - das ist alles hinfällig. Wir müssen hier das Feld räumen. Und zwar sofort.«
    Seine Miene verfinsterte, seine Augen umwölkten sich. »Wenn der Mistkerl erfährt, was Sie getan haben... was wir getan haben... Sie haben meine Eltern soeben zum Tode verurteilt!«
    Seichan versetzte ihm eine schallende Ohrfeige, die ihn zurücktaumeln ließ. Er stutzte, dann warf er sich auf sie. Seichan wehrte sich nicht. Er packte sie beim Kragen und ballte die andere Hand zur Faust.
    Seichan hob nicht einmal die Stimme. »jetzt, da der Schweinekerl
tot ist, haben wir aufgrund der allgemeinen Verwirrung etwas Luft. Wir müssen die Gelegenheit nutzen.«
    »Aber meine Eltern...«
    »Gray, sie sind bereits tot«, sagte sie leise.
    Seine Hand begann zu zittern. Sein gerötetes, gequältes Gesicht verzerrte sich. Er suchte ihren Blick, denn er brauchte jemanden, dem er die Schuld geben konnte.
    »Und wenn sie nicht tot sind«, fuhr sie fort, »wenn er sie als Rückversicherung am Leben gelassen hat, bleibt uns nur noch eine einzige Hoffnung.«
    Gray ließ die Hand von ihrem Hals sinken, ohne seine Finger zu entspannen.
    »Wir brauchen ein mächtiges Unterpfand«, sagte sie. »Eines, welches das Leben Ihrer Eltern aufwiegt.«
    Das zornige Funkeln in seinen Augen verblasste, und seine Wut legte sich, während er ihren Vorschlag überdachte. »Der zweite Schlüssel allein wird nicht reichen.«
    Seichan schüttelte den Kopf. »Wir müssen Funkstille wahren. Bitten Sie Vigor, den Akku aus seinem Handy zu nehmen, damit es nicht angepeilt werden kann.«
    »Aber wie soll Nasser uns erreichen?«
    »Es wird Zeit, dass wir ihm diese Möglichkeit nehmen.«
    »Aber wenn er uns anzurufen versucht...?«
    »Nasser wird außer sich sein. Vielleicht wird er Ihren Eltern wehtun oder sogar ein Elternteil töten. Aber so lange, bis er uns aufgespürt hat, wird er mindestens einen der beiden am Leben lassen. Er ist nicht dumm. Und das ist unsere einzige Hoffnung.«
    Vigors Handy klingelte. Allen dreien stockte der Atem. Vigor nahm das Handy aus der Tasche. Nach einem kurzen Blick auf die Anzeige reichte er es weiter.
    »Nasser«, sagte Gray.
    »Wo wir gerade vom Teufel sprechen«, flüsterte Seichan. »Offenbar hat ihn einer der Scharfschützen angerufen, weil sie neue Instruktionen brauchen. Wahrscheinlich ist das der einzige Grund, weshalb sie die Kirche noch nicht gestürmt haben. Dass Balthazar getötet wurde, hat sie aus dem Konzept gebracht. Das ist unsere Chance.«

    Gray starrte das Handy an.
    Seichan wartete.
    Wie stark war dieser Mann?
14:04
    Gray gehorchten die Finger nicht mehr, die er ums Handy gekrampft hatte.
    Es vibrierte und klingelte erneut.
    Er meinte die davon ausgehende Bedrohung beinahe körperlich zu spüren, eine Wut, die sich jeden Moment gegen seine Eltern entladen konnte. Es drängte ihn, das Gespräch anzunehmen: zu schreien, zu flehen, zu fluchen und zu feilschen.
    Doch er hatte nichts in der Hand.
    Noch nicht.
    »Nasser sitzt noch im Flugzeug«, murmelte Gray schließlich.
    »In fünf Stunden wird er landen«, meinte Seichan.
    Kälte breitete sich in Gray aus, doch seine Finger krampften sich noch fester zusammen. »Solange er im Flieger sitzt, wird er keine schwerwiegenden Entscheidungen treffen. Damit wird er warten, bis er wieder festen Boden unter den Füßen hat.«
    »Und wenn er bis dahin nichts von Ihnen gehört hat...«
    Gray vermochte den Satz nicht zu beenden. Stattdessen nickte er.

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