Der Judas-Code: Roman
eingestürzt war und sie unter den Trümmern begraben hatte.
Lautes Husten war zu hören.
Die Sicht klärte sich so weit, dass er seine Leidensgenossen sehen konnte.
Lisa half Susan gerade dabei, sich aufzusetzen. Sie drückte sich die Faust an den Mund und hustete qualvoll.
Willkommen unter den Lebenden.
Vielleicht wendete sich jetzt ja ihr Schicksal.
Eine Stimme aus der Höhe belehrte ihn eines Besseren.
»Wen haben wir denn da?«, rief Nasser herunter. »Um einen umgangssprachlichen Ausdruck zu gebrauchen: Da haben wir ja einen dicken Fisch gefangen.«
Von allen Seiten zielten Gewehrläufe auf sie herab.
Gray drückte sich an der Brunnenwand entlang und stieß gegen Kowalski.
»Was nun, Boss?«
Ehe Gray etwas erwidern konnte, klingelte plötzlich ein Handy. Das Klingeln kam von oben, doch Gray kannte den Klingelton.
Nasser holte Vigors Handy aus der Tasche. Er hatte es dem Monsignore im Hotel abgenommen.
Nasser las den Namen des Anrufers vom Display ab. »Rachel Verona.« Er hielt das Handy über den Rand des Schachts und blickte nach unten. »Ihre Nichte, Monsignore. Möchten Sie sich vielleicht von ihr verabschieden?«
Das Handy klingelte ein drittes Mal, dann verstummte es.
»Wohl eher nicht«, meinte Nasser. »Schade.«
Gray schloss die Augen und hielt den Atem an.
Nasser fuhr fort: »Aber vielleicht möchten Sie, Commander Pierce, ja meine Partnerin Annishen anrufen. Da könnten Sie Ihre Eltern noch schreien hören, bevor Sie sterben.«
Gray gab keine Antwort. Er schob die Hand hinter Kowalskis Rücken und langte unter dessen Jacke. Der Anruf von Vigors Nichte war das mit Painter verabredete Zeichen gewesen. Grays Eltern waren in Sicherheit.
Oder aber tot.
Jedenfalls konnte Nasser ihnen jetzt nichts mehr anhaben.
Gray packte die Pistole, die in Kowalskis Kreuz hinter dem Gürtel steckte. Um ein Haar hätte der sie gezogen, als der Affe ihn erschreckt hatte. Zum Glück hatte Gray ihn daran hindern können.
»Oder aber ich lasse Sie über das Schicksal Ihrer Eltern im Unklaren«, fuhr Nasser fort. »Dann haben Sie etwas, was Sie mit ins Grab nehmen können.«
»Wie wär’s, wenn Sie den Vortritt nehmen würden?« Gray trat einen Schritt vor, riss die Waffe hoch und feuerte zweimal.
Er traf Nasser an Schulter und Brust. Nasser wurde von der Wucht der Treffer seitwärts geschleudert. Mit rudernden Armen stürzte er in den Brunnenschacht. Blut spritzte auf die Steinwände.
Während er ununterbrochen weiterfeuerte, schwenkte Gray die Pistole im Kreis. Er traf drei weitere Männer, die anderen zogen sich zurück. Hinter ihm krachte, begleitet vom Knacken von Knochen, der brüllende Nasser auf den Boden.
Gray schwenkte die Waffe am Brunnenrand entlang. Die Metal Storm Pistole Kaliber 9 mm stammte aus australischer Fertigung,
ein äußerst leistungsstarkes Modell, das in einem Sekundenbruchteil mehrere Kugeln verschoss. Treibgasbetrieben, ohne bewegliche Teile, vollgestopft mit Elektronik.
»Lisa, sieh mal nach, ob Vigors Handy noch funktioniert! Ruf Painter an!«
Während er sich langsam um die eigene Achse drehte, sah er aus dem Augenwinkel Nasser. Er lag auf dem Rücken, der eine Arm war eigentümlich verdreht, an der Schulter zerschmettert. Er hatte blutigen Schaum auf den Lippen. Seine Rippen waren gebrochen. Doch er lebte noch. Verwirrt und voller Abscheu folgte er Grays Bewegungen mit den Augen.
Ja, wundere dich nur, du Scheißkerl.
Schließlich tat Nasser seinen letzten Seufzer, dann brach sein Blick.
Seichan sprach aus, was Nasser in seinem letzten Moment beschäftigt hatte. »Woher haben Sie die Waffe?«
»Das hatte ich mit Painter schon auf Hormus abgesprochen. Ich wollte nicht, dass er eine Einsatztruppe mobilisiert. Stattdessen habe ich ihn um einen kleinen Gefallen gebeten. Noch vor unserer Ankunft in Angkor hat er eine einzelne Waffe in die Elefantenbar geschmuggelt und auf der Toilette mit Klebeband hinter dem Spülkasten befestigt. Ich wusste, dass Nasser mich im Auge behalten und mehrfach durchsuchen würde. Kowalski stand auf einem anderen Blatt.«
Gray zuckte mit den Schultern.
»Ja, jetzt erinnere ich mich«, sagte Seichan. »Bevor wir nach draußen gingen, hat Kowalski gemeint, er müsse mal >schiffen<.«
»Ich konnte mir denken, dass man uns vor Betreten der Bar durchsuchen würde. Folglich mussten wir die Waffe später übernehmen und sie anschließend so lange verstecken, bis sicher war, dass sich meine Eltern in Sicherheit befinden.«
»Der Blödmann hätte
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