Der Judas-Code: Roman
Fehlalarm gehandelt habe. Dann war ihm Jennings eingefallen, der wegen der Gefahr einer Umweltkatastrophe nahezu in Panik gewesen war. Und dessen beunruhigende letzte Bemerkung: Wir wissen noch immer nicht mit letzter Gewissheit, was die Dinosaurier umgebracht hat.
Das war etwas, das auch das Interesse der Gilde wecken musste.
Painter hatte sogar vermutet, Seichans plötzliches Auftauchen und Grays Verschwinden könnten mit den Vorfällen in Indonesien in Verbindung stehen. Zwei Großaktionen der Gilde, zeitgleich durchgeführt. Er glaubte nicht an Zufälle. Es musste eine Verbindung geben. Von allein wäre er jedoch niemals darauf gekommen, wie alles zusammenhing.
»Marco Polo?«, fragte Painter.
Gray schloss seinen Bericht ab. »Die Gilde operiert an zwei Fronten. Die wissenschaftliche Abteilung untersucht den Krankheitsausbruch und forscht nach der Ursache und einem Heilmittel. Währenddessen...«
Painter fiel ihm ins Wort. »... folgt die zweite Abteilung Marcos historischer Fährte, mit dem gleichen Ziel.«
Auf furchtbare Weise fügte sich auf einmal alles zusammen.
»Und Nasser ist jetzt unterwegs nach Istanbul«, sagte Painter.
»Wahrscheinlich ist sein Flugzeug bereits gestartet.«
»Ich kann dort Einsatzkräfte mobilisieren. In wenigen Stunden wären sie vor Ort.«
»Nein. Die Gilde würde davon erfahren. Seichan zufolge ist Istanbul eine Bastion der Gilde. Deren Leute haben sämtliche Geheimdienste infiltriert. Wenn sie merken, dass Sie Einsatzkräfte mobilisieren, könnten Sie sich denken, dass wir uns abgesprochen haben. Das wäre zu gefährlich für meine Eltern. Mit Nasser muss ich allein fertig werden.«
»Aber Sie sind bereits große Risiken eingegangen, Gray. Sigma ist kompromittiert. Ich bemühe mich nach Kräften zu verhindern, dass noch mehr nach außen sickert, aber der Maulwurf...«
»Direktor, es gibt keinen Maulwurf.«
Painter stutzte. Er brauchte einen Moment, um sich zu fassen. »Sind Sie sicher?«, fragte er schließlich.
»Sicher genug, um das Leben meiner Eltern davon abhängig zu machen.«
Painter saß schweigend da. Er glaubte Gray. Die Verunsicherung und der Frust über die Kabbelei unter den Geheimdiensten fielen auf einmal von ihm ab. Wenn es gar keinen Maulwurf gab...
Grays Stimme wurde leiser. »Ich muss jetzt los. Ich werde mich bemühen, die Spur bis zum Ende zu verfolgen.«
Einen Moment lang war es still in der Leitung. Painter dachte schon, Gray hätte aufgelegt, doch dann meldete er sich noch einmal. »Bitte, finden Sie meine Eltern, Direktor.«
»Das werde ich, Gray. Darauf können Sie sich verlassen. Sagen Sie Vigor, er wird zu gegebener Zeit einen Anruf von seiner Nichte bekommen. Es wird ein paarmal klingeln. Das ist das Signal, dass Ihre Eltern in Sicherheit sind.«
»Ich danke Ihnen, Sir.«
Die Verbindung brach mit einem Klicken ab.
Painter lehnte sich zurück.
»Sir«, meldete sich der Funkoffizier zu Wort, »in zwei Minuten steht die Leitung.«
10:15
Istanbul
Obwohl die Zeit knapp war, wurde Gray unwillkürlich langsamer, als sie sich der Westseite der Hagia Sophia näherten. Das Bauwerk war ausgesprochen imposant.
Vigor bemerkte, dass er sich den Hals verrenkte. »Beeindruckend, nicht wahr?«
Das konnte man wohl sagen.
Das monumentale byzantinische Bauwerk galt vielen als achtes Weltwunder. Es lag auf einem Hügel, auf dem früher ein Apollo-Tempel gestanden hatte und von dem aus man das wundervoll blaue Marmarameer und einen großen Teil Istanbuls überblicken konnte. Besonders ins Auge fiel die gewaltige byzantinische Kuppel, die in der Morgensonne wie poliertes Kupfer funkelte und zwanzig Stockwerke hoch aufragte. Im Osten und Westen waren Halbkuppeln vorgelagert, und an den Seiten schmiegten sich kleinere Kuppeln an die Kirche wie das Gefolge an eine Königin und verliehen dem Bauwerk gewaltige Ausmaße.
Vigor setzte seinen Vortrag zur Historie fort und zeigte auf die großen Torbögen. »Das sind die Kaisertore. Als im Jahr fünfhundertsiebenunddreißig Kaiser Justinian darunter hindurchtrat, erklärte er: >O Salomon, ich habe dich übertroffen.< Und im fünfzehnten Jahrhundert schüttete der osmanische Türke Sultan Mehmet, der Eroberer Konstantinopels, sich vor Betreten der Kirche zum Zeichen der Demut Asche aufs Haupt. Er war so beeindruckt, dass er die Hagia Sophia nicht zerstörte, sondern in eine Moschee umwandelte.«
Der Monsignore deutete auf die vier hohen Minarette, welche die Kuppel umringten.
»Und jetzt ist das ein
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