Der Judas-Schrein
tränkte den Stoff, und in die Ecke waren mit Goldfäden zwei Buchstaben gestickt: BF.
»Was ist das?«, fragte Basedov.
Körner reichte dem Fotografen die Tüte. Der drehte sie im Scheinwerferlicht zwischen den Fingern. »BF- Initialen vielleicht! Womöglich die des Mörders?«
»Hervorragend!« Philipp klatschte in die Hände. »Natürlich! Wir haben ihn! Benjamin Franklin war es! Oh nein, der istja selbst schon tot. Aber Brendan Fräser, der Schauspieler vielleicht?«
»Idiot! Ich wollte nur helfen.« Basedov gab die Tüte an Philipp weiter.
»Dann fotografiere und misch dich nicht ein!«
»He, Ruhe!« Sabriski erhob sich und stand zwischen den beiden. »Phil, nimm die Fingerabdrücke vom Ring, der Uhr und dem Armband der Kleinen.« Sie deutete auf den Schmuck, den die Tote am Handgelenk trug.
»Zu Befehl, Lady.« Philipp machte sich an die Arbeit.
Da hörten sie Schritte und blickten auf. Der Dorfgendarm marschierte quer durch das Lokal. »Wir haben den Radius ausgedehnt«, meldete er Körner.
»Kennen Sie das Opfer?«
Der Gendarm starrte entsetzt auf das Mädchen. »Jesus!«
Schlagartig war er bleich wie eine Wand auf der Intensivstation. Das verzerrte Gesicht der Toten sah noch schrecklicher aus, als die Wunde in ihrem Rücken. »Das ist ja die Krajnik Sabine, die Tochter des Metzgers. Der alte Bert hat den Schlachthof am Ortsbeginn. Seine Tochter ist heute vierzehn Jahre alt geworden.« Der Dorfgendarm fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
»Sie wäre heute vierzehn geworden«, korrigierte Philipp ihn.
Körner packte den Gendarmen an der Schulter und zog ihn von der Leiche weg. Gemeinsam schritten sie zum Ausgang und traten unter dem Plastikband hindurch ins Freie.
3. Kapitel
Der Regen schlug Körner ins Gesicht; er schnappte nach Luft. Erst jetzt merkte er, wie extrem muffig und schwefelhaltig es in dem Lokal stank. Er blickte über den Dorfplatz, zu der Absperrung, hinter der noch immer das Dutzend Reporter stand und in Kälte und Regen ausharrte, um einen Brocken Information aufzuschn appen.
»Entsetzlich. Wie kann man ein armes, junges Ding so zurichten?« Der Gendarm schüttelte den Kopf.
Da kam Körner eine Idee. »Nehmen Sie Kontakt mit den Leuten von der Presse auf. Lassen Sie sich interviewen, aber zieren Sie sich ein wenig. Nennen Sie nur den Namen des Opfers, und lassen Sie nebenbei die Information durchsickern, die Kleine wurde stranguliert.«
»Stranguliert?« Der Gendarm rieb sich die Knollnase. »Aber …«
»Machen Sie schon!«
Körner stand allein unter dem Vordach der Diskothek und sah dem Gendarmen zu, wie er über den Platz zu den Reportern schritt. Sofort brach das Blitzlichtgewitter los. Bis auf die Journalisten und ein paar uniformierte Beamte, die in schwarze Regenmäntel gehüllt den Platz absuchten, war niemand zu sehen. Keine Schaulustigen hingen an den Fenstern, niemand drängte sich zum Eingang der Diskothek, um einen Blick auf die Leiche zu erhaschen, und niemand schlich sich heran, um Gesprächsfetzen der Ermittler aufzuschnappen. Nicht einmal der Straßenverkehr, der über den Platz führte, musste umgeleitet werden, da ohnehin kein Auto vorbeikam. Einzig der Krankenwagen und das Pressefahrzeug der Reporterin standen auf dem Hauptplatz. Einerseits war das gut, denn so konnten sie ungestört arbeiten, andererseits wusste Körner aus Erfahrung, dass sich der Täter oft in der Nähe des Tatorts unter die Schaulustigen mischte. Viele Fälle waren auf Grund dieser simplen Tatsache gelöst worden. Aber so einfach würde es ihm dieser Killer nicht machen.
Körner blickte zur Kirche hinauf. Der Pfarrer stand auf den Stufen unter dem Vordach und starrte zur Bar. Ihre Blicke trafen sich für einen Moment. War es derselbe Pfarrer wie vor siebenundzwanzig Jahren? Wie hatte er gleich geheißen? Sans, Sauns oder so ähnlich? Er musste mittlerweile an die achtzig Jahre alt sein. Es war merkwürdig, überlegte Körner, als Erwachsener an einem Ort wie diesem zu stehen … als habe er als vierzehnjähriger Junge die Augen für einen Moment geschlossen und eben, fast drei Jahrzehnte später, wieder aufgeschlagen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Berger im blauen Parka aus der Seitengasse marschierte, an deren Ecke sich der Krämerladen befand. In dem Geschäft brannte kein Licht. Hatte es ebenso wie die Tankstelle wegen Regens geschlossen? Verkrümelten sich alle Einwohner in ihre Häuser, sobald die Unwetter einmal heftiger tobten?
»Der Hund ist weg.« Berger
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