Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
diese Worte nichts zu sagen. Selbst Josef spürte widerwillig, daß Wahrheit darin war. »Gott ist jetzt in Italien«, er übersetzte sich den Satz ins Aramäische. Das Wort traf ihn tief.
      »Da haben Sie wahrscheinlich recht, junger Herr«, sagte nach einer Weile der Finanzmann Claudius Regin. »Sie müssen wissen«, wandte er sich an Josef, »ich bin nicht etwa Jude, ich bin der Sohn eines sizilischen Leibeigenen und einer jüdischen Mutter, mein Herr hat sich seinerzeit gehütet, mich beschneiden zu lassen, wofür ich ihm offen gestanden heute noch dankbar bin. Ich bin Geschäftsmann, ich vermeide die Nachteile einer Sache, wo ich kann; andernteils nehme ich die Vorteile einer Sache, wo ich sie finde. Ihr Gott Jahve leuchtet mir besser ein als die Konkurrenz. Ich sympathisiere mit den Juden.«
      Der große Finanzmann lag behaglich da, den Becher mit dem lauwarmen Wein in der Hand, die schlauen, verschlafenen Augen in den dunklen Hof gerichtet. Am dritten Finger trug er eine mächtige, matte Perle, von der Josef den Blick nicht losbrachte. »Ja, Doktor Josef«, sagte Cajus Barzaarone, »das ist die schönste Perle der vier Meere.« – »Ich trage sie nur am Sabbat«, sagte Claudius Regin.
      Wenn er diesen Abend nicht nützte, überlegte Josef, wenn er jetzt aus dem Sattheitswohlwollen, der NachtischSentimentalität des mächtigen Mannes keinen Vorteil zog, dann war er ein Trottel und nie imstand, die Sache seiner drei Unschuldigen zu einem glücklichen Ende zu führen. »Da Sie zu den Sympathisierenden gehören, Herr Claudius Regin«, wandte er sich bescheiden und doch dringlich an den Finanzmann, »wollen Sie sich nicht der drei Unschuldigen von Cäsarea annehmen?«
      Der Juwelier setzte den Becher heftig nieder. »Cäsarea«, sagte er, und seine sonst so schläfrigen Augen wurden scharf und seine hohe Stimme bedrohlich. »Das ist eine gute Stadt mit einem herrlichen Hafen, die Ausfuhr ist beträchtlich, der Fischmarkt ausgezeichnet. Großartige Möglichkeiten. Ihr seid selber schuld, wenn man sie euch aus der Hand dreht. Mit euern blödsinnigen Aspirationen. Der Wein wird mir sauer, wenn ich von euern ›Rächern Israels‹ höre.«
      Josef, erschreckt durch die plötzliche Heftigkeit des sonst so ruhigen Herrn, erwiderte doppelt bescheiden, die Befreiung der drei Unschuldigen sei eine rein ethische Angelegenheit, die mit Humanität zu tun habe, nicht mit Politik. »Wir wollen nicht mit politischen Argumenten wirken«, sagte er, »auch nicht mit juristischen. Wir wissen, nur durch persönliche Beziehungen bei Hof ist etwas auszurichten«, und er schaute demütig bittend auf Claudius Regin. »Sind denn Ihre drei Unschuldigen wenigstens wirklich unschuldig?« fragte der schließlich zwinkernd. Josef kam sogleich mit leidenschaftlichen Beteuerungen, die drei seien, als die Unruhen ausbrachen, an einem andern Ende der Stadt gewesen. Doch Claudius unterbrach, das wollte er nicht wissen. Wissen wollte er, welcher politischen Partei die drei angehört hatten. »Haben sie in der Blauen Halle gesprochen?« fragte er. Die Blaue Halle war der Versammlungsraum der »Rächer Israels«. »Das wohl«, mußte Josef zugeben. »Sehen Sie«, sagte Claudius Regin, und damit war für ihn die Sache augenscheinlich abgetan.
      Justus von Tiberias schaute auf das schöne, heftige, begehrliche Gesicht Josefs. Der hatte eine offenbare Niederlage erlitten, und Justus gönnte sie ihm. Abgestoßen und angezogen betrachtete er seinen jungen Kollegen. Der wollte das gleiche sein wie er, ein großer Schriftsteller und von politischem Einfluß. Er hatte die gleichen Mittel, den gleichen Weg, die gleichen Ziele. Das hochfahrende Rom war reif für die ältere Kultur des Ostens, wie es hundertfünfzig Jahre zuvor reif gewesen war für die Kultur der Griechen. Daß es von innen her durch diese Kultur des Ostens aufgelockert werde, daran mitzuarbeiten, das reizte, das war ein herrlicher Beruf. Dies witternd, war er vor drei Jahren nach Rom gekommen, wie jetzt dieser Josef. Aber er, Justus, hatte es leichter und schwerer. Er hatte das reinere Wollen, die schärfere Begabung. Allein er war zu anspruchsvoll in seinen Mitteln, zu heikel. Er hatte tief hineingeschaut in den politischen und literarischen Betrieb der Hauptstadt, ihn ekelte vor den Kompromissen, den billigen Effekten. Dieser Josef war offenbar weniger wählerisch. Er scheute nicht vor den plumpsten Mitteln zurück, er wollte hinauf unter allen Umständen, er

Weitere Kostenlose Bücher