Der jüdische Krieg.
Geschäften. Josef schweigt sogleich, demütig erschrocken. Aber im Innern ist er zufrieden, er spürt, seine Rede hat Wirkung getan.
Endlich ist die Mahlzeit zu Ende, Cajus spricht das lange Tischgebet, alles verdrückt sich, zurück bleiben nur die ernsthaften Männer. Jetzt lädt Cajus auch Josef und Justus auf die Speisesofas. Der umständliche Mischapparat wird auf den Tisch gebracht. Man nimmt, nachdem der strenge Alte weg ist, die vom Gebrauch vorgeschriebenen Kopfbedeckungen ab, lüftet sich.
Da liegen und hocken also die vier Männer zusammen, bei Wein, Konfekt und Früchten, satt, vergnügt, aufgelegt zu Gespräch. In angenehm gelblichem Licht liegt der Raum, der Vorhang ist hochgezogen, von dem dunkeln Hof her weht willkommene Kühlung. Die beiden älteren Herren schwatzen mit Josef über Judäa, fragen ihn aus. Cajus ist leider nur einmal in Judäa gewesen, als junger Mann noch, es ist lange her; er hat mit den Hunderttausenden von Wallfahrern sein Opferlamm am Passahfest zum Tempel gebracht. Er hat viel gesehen in der Zwischenzeit, Triumphzüge, üppige Schauspiele in der Arena, in der Großen Rennbahn, aber der Anblick des weißgoldenen Tempels in Jerusalem und der enthusiastischen Hunderttausende, die den Ungeheuern Raum füllten, bleibt das Größte, was er in seinem Leben sah. Alle hier in Rom hängen sie an der alten Heimat. Haben sie nicht ihre eigene Pilgersynagoge in Jerusalem? Schicken sie nicht Abgaben und Tempelgeschenke? Sparen sie nicht ihr Geld, um ihre Leichen nach Judäa zu schicken, auf daß sie begraben seien in der alten Erde? Aber die Herren in Jerusalem tun das Ihre, einem diese alte Heimat zu verekeln. Warum, verdammt noch eins, vertragt ihr euch nicht mit der römischen Verwaltung? Man kann mit den kaiserlichen Beamten in Frieden auskommen, es sind tolerante Leute, wir haben das oft erfahren. Aber nein, ihr in Judäa müßt immer eure Querköpfe durchsetzen, die Rechthaberei liegt euch im Blut, eines schönen Tages wird der Topf zerschlagen sein. Aufs Johannisbrot werdet ihr kommen, übersetzte er sich ins Aramäische, lächelnd, doch im Grunde sehr ernst.
Der Juwelier Claudius Regin konstatiert schmunzelnd, daß Josef nach strenger Jerusalemer Etikette seinen Becher nicht auf einmal leert, sondern ihn dazwischen zweimal niedersetzt. Claudius Regin kennt die Verhältnisse in Judäa genau, er war erst vor zwei Jahren dort. Nicht die römischen Beamten sind schuld daran, daß Judäa nicht zur Ruhe kommt, auch nicht die großen Herren in Jerusalem: sondern einzig und allein die kleinen Agitatoren, die »Rächer Israels«. Nur weil sie keinen andern Weg sehen, politische Karriere zu machen, hetzen sie zu einem aussichtslosen bewaffneten Aufstand. Nie sei es den Juden besser gegangen als unter der Regierung dieses gesegneten Kaisers Nero. Sie hätten auf allen Gebieten Einfluß, und dieser Einfluß werde wachsen, wenn sie nur klug genug seien, ihn nicht allzu grell ins Licht zu stellen. Was sei wichtiger: Macht haben oder Macht zeigen? schloß er und spülte sich den Mund mit lauwarmem Wein.
Josef fand es an der Zeit, ein Wort für die »Rächer Israels« einzulegen. Die Herren in Rom, meinte er, sollten nicht vergessen, daß in Judäa nicht kühle Vernunft allein regiere, sondern notwendig auch das Herz mitspreche. Man stolpere dort bei jedem Schritt über die Insignien der römischen Souveränität. Herr Cajus Barzaarone habe sich mit warmem Herzen der Passahfeier im Tempel erinnert. Wenn man aber sehen müsse, wie brutal und zynisch zum Beispiel die römische Polizei sich in diesem Tempel aufführe, die am Passahfest dorthin zur Wahrung der Ordnung befohlen sei, dann laufe auch einem ruhigen Mann der Kopf rot. Es sei nicht leicht, die Befreiung aus Ägypten zu feiern, wenn man bei jedem Wort die Faust der Römer im Nacken spürt. Sich hier in Rom ruhig zu halten ist keine Kunst, hier würde es wahrscheinlich auch mir nicht schwerfallen; aber unerträglich schwer ist es in dem Land, das Gott auserwählt hat, in dem Gott seinen Wohnsitz hat, im Lande Israel.
»Gott ist nicht mehr im Lande Israel, Gott ist jetzt in Italien«, sagte eine scharfe Stimme. Alle sahen den Gelbgesichtigen an, der diese Worte gesprochen hatte. Er hielt seinen Becher in der Hand, er hatte den Blick auf keinem, sein Satz war nur für ihn selber bestimmt. Es war auch nicht Abfertigung oder Hohn darin, er hatte eine Tatsache festgestellt, und nun schwieg er.
Alle schwiegen. Es war auf
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