Der jüdische Krieg.
Brauen; denn dieser Mann hat ihn sehr geschunden, hat den Neun- oder Zehnjährigen, wenn er seinen verzwickten Auslegungsmethoden nicht folgen konnte, mit Hohn gedemütigt, hat sein Selbstbewußtsein mit bitterem Bedacht niedergetreten. Er hat damals, wie oft!, dem finstern, mürrischen Mann alles Schlechte gewünscht: jetzt, wie der abgelebte Blick der eingetrockneten Augen auf ihn zukommt, fällt es ihm aufs Herz wie ein Stein, und das Mitleid schnürt ihm den Atem.
Er muß lang und behutsam reden, bis er durch die stumpfe Müdigkeit der drei zu ihrem Verständnis vordringt. Endlich antworten sie, hüstelnd, stammelnd. Es ist aus mit ihnen. Denn wenn man sie auch nicht hat zwingen können, Jahves Verbote zu übertreten, so hat man sie doch gehindert, seine Gebote zu erfüllen. Sie haben also dies und das andre Leben verloren. Ob man sie knüttelt, bis sie auf die lehmige Erde fallen, ob man sie ans Kreuz nagelt nach der verruchten Art, wie dieses Gezücht von Römern Menschen zum Tode zu bringen pflegt: der Herr gibt es, der Herr nimmt es, je rascher das Ende, um so willkommener, der Name des Herrn sei gelobt.
Es ist eine drückende Luft in dem engen, halbdunkeln Raum, feuchtkalt, durch die schmalen Fensteröffnungen dringt der Regen, der dicke Gestank zieht nicht ab, von außen, fernher kommt der dumpfe Singsang. Josef schämt sich, daß er ganze Kleider am heilen Leib trägt, daß er jung und voll Tatkraft ist, daß er in einer Stunde hier hinaus kann, fort von dieser Stätte des Lehms und des Grauens. Die drei können nichts denken, was über den kleinen Umkreis ihres schauerlichen Alltags hinausgeht. Es hat keinen Sinn, ihnen von seiner Sendung zu sprechen, von den Schritten, die man für sie tun will, von Politik, von der günstigeren Konstellation bei Hofe. Für sie bleibt das Bitterste, daß sie die Reinigungsgesetze nicht halten können, die strengen Gebote der rituellen Waschungen. Sie haben mancherlei Aufseher und Wärter gehabt, einige waren härter, die nahmen ihnen ihre Gebetriemen, auf daß sie sich nicht daran erhängten, einige waren milder, die ließen sie ihnen: aber Unbeschnittene, Frevler und Verdammte waren sie alle. Für sie war es gleich, ob man die Zwangsarbeiter besser nährte oder nicht; denn sie aßen nicht das Fleisch von Tieren, die nicht nach dem Gesetz geschlachtet waren. Also blieb, wovon sie sich nähren mußten, Abfall von Obst und Gemüsen. Sie hatten unter sich beraten, ob sie die Fleischportionen annehmen und an die andern Gefangenen gegen Brot und Früchte austauschen dürften. Sie hatten darüber heftig diskutiert, Doktor Gadja hatte zunächst mit vielen Argumenten bewiesen, es sei erlaubt. Aber schließlich hatte auch er den beiden andern zugestimmt, es sei erlaubt nur als Rettung unmittelbar vor dem Tode. Wer aber kann wissen, ob der Herr, sein Name sei gelobt, ihren Tod für diesen oder erst für den nächsten Monat bestimmt hat? Somit ist es also trotzdem nicht erlaubt. Wenn sie nicht zu stumpf und müde sind, immer dann debattieren sie mit theologischen Argumenten, was erlaubt ist und was nicht, und dann erinnern sie sich an die Quadernhalle des Tempels. Josef hatte den Eindruck, daß diese Debatten oft heftig seien und in wüste Zänkereien ausarteten, aber offenbar waren sie das einzige, was die drei noch am Leben hielt. Nein, es war nicht möglich, mit ihnen halbwegs Vernünftiges zu reden. Wenn er von der Judenfreundschaft der Kaiserin sprach, dann erwiderten sie, es sei fraglich, ob es überhaupt erlaubt sei, an diesem Ort der Tiefe und des Schmutzes zu beten; auch wüßten sie nie den Kalender, so daß sie vielleicht den Sabbat verletzten durch Anlegung der Gebetriemen und
den Werktag durch Nichtanlegung.
Josef gab es auf. Er hörte sie an, und als einer eine Stelle der Schrift zitierte, ging er darauf ein und zitierte eine Gegenstelle, und siehe, da belebten sie sich und begannen zu streiten und holten Argumente aus ihren kraftlosen Kehlen, und er stritt mit, und es war ein großer Tag für sie. Aber sie hielten nicht durch, und sehr bald sanken sie zurück in ihre Stumpfheit.
Josef sah sie hocken im trüben Licht ihres Kerkers. Diese drei, jämmerlich an Leib, in Schmutz und letzter Tiefe, waren Große gewesen in Israel, ihre Namen hatten geglänzt unter den Gesetzgebern der Quadernhalle. Den Gefangenen helfen. Nein, es kam nicht darauf an, es war lächerlich und eitel, ob in der Stadt Cäsarea die Juden die Herrschaft hatten oder nicht.
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