Der jüdische Krieg.
genug.«
»Mein Gott«, sagte der junge Anton Marull, »die Juden ha- ben immer zu quengeln, das weiß man.«
»Ich verbitte mir das«, schrie auf einmal der Schauspieler und stand aufgereckt, zürnend. »Ich verbitte mir, daß man in meinem Haus die Juden beschimpft. Ich bin Jude.«
Anton Marull war rot angelaufen, versuchte zu lächeln, aber es gelang nicht, er stammelte Entschuldigungen. Demetrius Liban hörte gar nicht auf ihn. »Judäa«, sagte er, »Land Israel, Jerusalem. Ich bin nie dort gewesen, ich habe den Tempel nie gesehen. Aber einmal werde ich doch hinfahren und mein Lamm zum Altar bringen.« Sehnsüchtig und besessen schauten seine graublauen, traurigen Augen aus dem blassen, leicht gedunsenen Gesicht.
»Ich kann mehr als das, was Sie gesehen haben«, wandte er sich unvermittelt an Josef, wichtig und geheimnisvoll. »Ich habe da eine Idee. Wenn die mir glückt, dann, ja, werde ich meinen Titel wirklich verdienen und der Erste Schauspieler der Epoche sein. Ich weiß genau, wie ich es machen müßte. Es ist nur eine Frage des Mutes. Beten Sie, mein Doktor und Herr Josef Ben Matthias, daß ich den Mut aufbringe.« Anton Marull legte vertraulich und anmutig den Arm um den Hals des Schauspielers. »Sag uns doch deine Idee, lieber Demetrius«, bat er. »Jetzt sprichst du uns schon das drittemal davon.« Aber Demetrius Liban blieb zugesperrt. »Auch die Kaiserin drängt mich«, sagte er, »ich möge mit meiner Idee herausrücken. Ich glaube, sie würde mir viel dafür geben, wenn ich die Idee ausführte«, und er hatte ein abgründig freches Lächeln. »Aber ich denke nicht daran«, schloß er.
»Erzählen Sie mir von Judäa«, wandte er sich wieder an Josef. Josef erzählte vom Passahfest, vom Fest des Holztragens, von dem Dienst am Versöhnungstag, wie da der Erzpriester ein einziges Mal im Jahr Jahve bei seinem wirklichen Namen anruft und wie alles Volk, hörend den großen und schrecklichen Namen, sich niederwirft vor dem unsichtbaren Gott, und fünfzigtausend Stirnen rühren die Fliesen des Tempels. Der Schauspieler hörte zu, die Augen geschlossen. »Ja, einmal werde ich auch den Namen hören«, sagte er. »Jahr um Jahr verschiebe ich die Reise nach Jerusalem, die Jahre der Kraft sind nicht viele für einen Schauspieler, er muß haushalten mit seinen Jahren. Aber einmal werde ich doch ins Schiff steigen. Und wenn ich alt geworden bin, werde ich mir ein Haus kaufen und ein kleines Gut bei Jerusalem.«
Josef, während der Schauspieler sprach, überlegte scharf und schnell: jetzt war man noch aufnahmefähig und in der rechten Stimmung. »Darf ich Ihnen noch etwas von Judäa erzählen, Herr Demetrius?« bat er. Und er erzählte von seinen drei Unschuldigen. Er dachte an die Ziegelei und das feuchtkalte, unterirdische Gelaß und die Skelette der drei, und wie er seinen alten Lehrer Natan nicht erkannt hatte. Der Schauspieler schmiegte die Stirn in die Hand, hielt die Augen geschlossen. Josef sprach, und seine Rede hatte Farbe und guten Flug.
Alle schwiegen, als er zu Ende war. Dann sagte Doktor Licin von der Veliasynagoge: »Sehr interessant.« Aber der Schauspieler fuhr ihn heftig an; er wollte gepackt sein und glauben. Licin verteidigte sich. Wo denn sei ein Beweis, daß die drei wirklich unschuldig seien? Gewiß spreche dieser Doktor und Herr Josef Ben Matthias aus bester Überzeugung, aber warum sollen seine Zeugenaussagen besser sein als die von dem Gouverneur Anton Felix beigebrachten, von einem kaiserlich römischen Gericht als wahr befundenen? Josef aber blickte auf den Schauspieler, vertrauensvoll, ernst, und erwiderte schlicht: »Sehen Sie sich diese drei Männer an. Sie sind in der Ziegelei von Tibur. Reden Sie mit ihnen. Wenn Sie dann noch an ihre Schuld glauben, soll kein Wort mehr aus meinen Lippen kommen.«
Der Schauspieler ging hin und her, seine Augen waren nicht mehr trüb, alle Flauheit war weg. »Das ist ein guter Vorschlag«, rief er. »Ich freue mich, Doktor Josef, daß Sie zu mir gekommen sind. Wir fahren nach Tibur. Ich will diese drei Unschuldigen sehen. Ich werde Ihnen helfen, mein Doktor und Herr Josef Ben Matthias.« Er stand vor Josef, er war kleiner als Josef, aber er schien viel größer. »Wissen Sie«, sagte er dunkel, »daß diese Fahrt in der Richtung meiner Idee liegt?«
Er war angeregt, lebendig, besorgte selber den Mischkrug, sagte jedem Angenehmes. Man trank viel. Als es später wurde, schlug jemand vor zu spielen. Man
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