Der jüdische Krieg.
legt der Strahlenden, Hochgeehrten Heimlichkeit auf, er müsse ihr sehr Wichtiges mitteilen, und dann bricht alles aus ihm heraus: wie er sich die Zusammenkunft mit der Kaiserin denkt, was er ihr sagen wird. Er probiert es vor Irene aus, die Worte, die Bewegungen.
Wieder den Tag darauf, großartig, in der Prunksänfte des Demetrius Liban, trägt man ihn in den kaiserlichen Palast. Platzmacher voran, Läufer, großes Gefolge. Wo die Sänfte vorbeikommt, bleiben die Leute stehen, akklamieren den Schauspieler. Josef sieht die Büsten der Kaiserin an den Straßen, weiße und bemalte. Die bernsteingelben Haare, das blasse, zierliche Gesicht, die sehr roten Lippen. Poppäa, denkt er. Poppäa heißt Püppchen, Poppäa heißt Baby. Er denkt das judäische Wort: Janiki. So hat man auch ihn einmal gerufen. Es kann nicht schwer sein, mit der Kaiserin fertig zu werden.
Nach den Schilderungen, die man ihm von der Kaiserin gemacht hat, erwartet Josef, er werde sie nach Art orienta lischer Fürstinnen auf üppigen Polstern und Kissen finden, umgeben von Fächerträgern, Zofen mit Parfüms, in raffinierten Gewändern. Statt dessen saß sie ganz einfach in einem bequemen Stuhl, war überaus schlicht angezogen, matronenhaft fast, in langer Stola; freilich war die Stola aus einem in Judäa berüchtigten Stoff, aus hauchdünnem koischem Flor. Auch geschminkt war die Kaiserin kaum, und die Frisur war glatt, gescheitelt und in einen Haarknoten auslaufend, nichts von den getürmten, juwelenbesetzten Haarbauten, wie man sie sonst an den Damen der herrschenden Schicht sah. Zierlich wie ein ganz junges Mädchen saß die Kaiserin, mit roten, langen Lippen lächelte sie den Herren entgegen, streckte ihnen die weiße Kinderhand hin. Ja, sie hieß mit Recht Poppäa, Baby, Janiki; aber sie war auch in Wahrheit verwirrend, und Josef wußte nicht mehr, was er ihr sagen sollte.
Sie sagte: »Bitte, meine Herren«, und da der Schauspieler sich setzte, setzte sich Josef auch, und nun war ein kleines Schweigen. Das Haar der Kaiserin war wirklich bernsteingelb, wie die Verse des Kaisers es nannten, aber die Wimpern und die Brauen ihrer grünen Augen waren dunkel. Josef dachte in rasender Eile: Sie ist ja ganz anders als die Büsten, sie ist ein Kind, aber ein Kind, das einen ohne weiteres umbringen lassen kann. Was soll man mit einem solchen Kind sprechen? Außerdem soll sie verflucht gescheit sein.
Die Kaiserin schaute ihn unverwandt und ungeniert an, er hielt mit großer Mühe, leicht schwitzend, einen demütigen und beflissenen Ausdruck fest. Ganz leise, um ein geringstes nur, verzog sich ihr Mund, und nun sah sie auf einmal gar nicht mehr kindlich aus, sondern überaus erfahren und spöttisch. »Sie kommen frisch aus Judäa?« fragte sie Josef, sie sprach griechisch, ihre Stimme klang ein bißchen spröd, überaus hell. »Erzählen Sie mir«, bat sie, »wie denkt man in Jerusalem über Armenien?« Das war nun wirklich eine überraschende Frage; denn wenn auch der Schlüssel der römischen Orientpolitik in der Entscheidung über Armenien lag, so hatte Josef sein Judäa für viel zu wichtig gehalten, als daß man es nicht selbständig, sondern im Zusammenhang mit etwas so Barbarischem wie Armenien betrachten könnte. Eigentlich also dachte man in Jerusalem oder dachte wenigstens er überhaupt nicht über Armenien, und es fiel ihm nichts ein, was er auf eine solche Frage erwidern konnte. »Den Juden in Armenien geht es gut«, sagte er nach längerem Schweigen, ein wenig tölpisch. »Wirklich?« meinte die Kaiserin, und jetzt lächelte sie breit, unverhohlen amüsiert. Sie fragte weiter in der gleichen Art, sie hatte ihren Spaß an dem jungen Herrn mit den langen, heftigen Augen, der offenbar keine Ahnung hatte, was um sein Land gespielt wurde. »Danke«, sagte sie schließlich, nachdem Josef einen umständlichen Satz über die strategischen Verhältnisse an der parthischen Grenze mühsam zu Ende gebracht hatte, »jetzt bin ich viel informierter«, sagte sie. Sie lächelte hinüber zu Demetrius Liban, befriedigt; was hatte er ihr da für ein komisches Gewächs aus dem Orient zugeführt? »Ich glaube fast«, warf sie dem Schauspieler hin, erstaunt und anerkennend, »er tritt wirklich aus purem gutem Herzen für seine drei Unschuldigen ein.« Und wohlwollend und sehr höflich wendete sie sich an Josef: »Bitte, erzählen Sie mir von Ihren Schützlingen.« Sie saß bequem in ihrem Stuhl; der Hals war mattweiß, Beine und Arme schimmerten
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