Der jüdische Krieg.
Tempel Jahves, und er, hirnrissig wie er ist, hat diesen Tempel verbrannt, und die Frau, die sich ihm dreimal gegeben hat, dreimal fortgescheucht, durch seine römische Brutalität, und diesmal für immer.
Den Tag darauf stellte sich Josef ein, um den Prinzen zu begrüßen. Titus war von jener jovialen, kalt strahlenden Höflichkeit, die Josef haßte. Dieser Triumph, scherzte er, mache mehr Arbeit als der ganze Feldzug. Er wollte ihn hinter sich haben, er wollte endlich wieder in seine Stadt, und nach dem dummen Brauch mußte er warten bis zum Tag des Festzugs. Ist es nicht ein Jammer? Nicht einmal die Vorstellung des Demetrius Liban im Marcell-Theater kann er sich anschauen. Er gab dem Josef Weisung, bei den Proben darauf zu achten, daß man in der Wiedergabe jüdischer Dinge keine Fehler mache. »Ich habe jetzt«, erzählte er, »das Arrangement des Triumphes und alles, was damit zusammenhängt, selber in die Hand genommen. Ich bin neugierig, welchen Eindruck der Zug auf Sie machen wird. Sie werden ihn doch von der Großen Rennbahn aus anschauen?«
Josef sah, daß der Prinz gespannt auf seine Antwort wartete. Eigentlich mußte es diesen Römern selbstverständlich sein, daß er, der Chronist des Feldzugs, seinem Ende als Augenzeuge beiwohnte. Er selber hatte sich merkwürdigerweise nie überlegt, ob er kommen werde oder nicht. Es wäre schön, zu sagen: Nein, Cäsar Titus, ich werde nicht kommen, ich werde zu Hause bleiben. Es wäre eine Genugtuung, das zu sagen, es wäre eine Geste, groß und sinnlos. Er sagte: »Ja, Cäsar Titus, ich werde den Zug von der Großen Rennbahn aus anschauen.«
Titus veränderte sich. Jene maskenhafte, laute Höflichkeit fiel von ihm ab. »Ich hoffe, mein Jude«, sagte er, vertraulich, freundschaftlich, »man hat es dir in Rom leicht und bequem gemacht. Ich will«, sagte er herzlich, »daß du gern in Rom lebst. Ich will das Meine dazu tun. Glaub mir.«
Josef, um sich für die Teilnahme an dem Triumph vorzubereiten, schaute sich im Marcell-Theater die Aufführung des Gefangenen Secharja an. Demetrius Liban war ein großer Schauspieler. Er war der Gefangene Secharja, unsagbar wirklich und schauerlich komisch. Zuletzt setzten sie ihm eine kleine, blöde Clownsmaske auf, wie man sie oft Verurteilte in der Arena tragen ließ, auf daß die Komik der Maske wirksam kontrastiere mit dem Sterben des Verurteilten. Niemand sah, wie unter der Maske des Gefangenen Secharja der Schauspieler Liban nach Luft japste, wie sein Herz pumpte und versagte. Er hielt durch. Sie banden ihn ans Kreuz. Er schrie, wie die Rolle es vorschrieb: Höre, Israel, Jahve ist unser Gott, und die elf Clowns tanzten um ihn herum in Eselsmasken und wiederholten sein Geschrei: Jah, Jah. Er hielt durch bis zuletzt, bis man ihm sagte, jetzt werde er vom Kreuz abgenommen, und bis er vom Kreuz das Geld zu werfen hatte. Da allerdings sackte er zusammen. Aber das merkte niemand, das hielt man für Spiel, und über dem Ungeheuern Jubel, der über den Münzen losbrach, achtete man ohnedies kaum mehr auf den Schauspieler. Auch Josef erhaschte einige von den Münzen, zwei silberne und mehrere kupferne. Sie waren an diesem Tag ausgegeben worden, und sie zeigten auf der einen Seite das Porträt des Kaisers, auf der andern eine unter einem Palmbaum sitzende gefesselte Frau mit der Umschrift: »Das gefangene Judäa«. Die Frau, war es das Werk der Dame Cänis?, trug
die Züge der Prinzessin Berenike.
Den Tag darauf bestellte ihn der Verleger Claudius Regin zu sich. »Ich bin beauftragt«, sagte er, »Ihnen diese Eintrittsmarke für die Große Rennbahn auszuhändigen.« Es war ein Sitz auf den Bänken des Zweiten Adels. »Sie erhalten ein hohes Honorar für Ihr Buch«, sagte Regin. »Einer muß da sein und sehen«, sagte verbissen Josef. Regin lächelte sein fatales Lächeln. »Gewiß«, sagte er, »und ich als Ihr Verleger habe alles Interesse daran, daß Sie da sind. Sie werden wohl der einzige Jude sein, Flavius Josephus, der zuschaut. Lassen Sie schon«, wehrte er ab, ein wenig müde, da Josef losfahren wollte. »Ich glaube Ihnen, daß es nicht leicht sein wird. Auch ich, wenn ich im Zug mitschreite unter den Beamten des Kaisers, werde mir die Schuhe sehr fest binden und es mir nicht bequem machen.«
Am Morgen des 8. April saß Josef in der Großen Rennbahn. Dreihundertdreiundachtzigtausend Menschen faßte der Neubau, und die Steinbänke waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Josef hatte es geschafft, er saß
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