Der jüdische Krieg.
Sache, wie zugeschnitten für Vespasians Begabung. Mit so utopischem Zeug wie dem Alexanderzug mochten sich geniale Strategen abgeben, Corbulo oder Tiber Alexander. Er, Vespasian, zog sich den Mantel über die Ohren, wenn von so windigen, imperialistischen Projekten die Rede war. Aber bei so einer deftigen Sache wie diesem Feldzug in Judäa, da ging einem alten General das Herz auf. Jetzt konnten die Herren Marschälle warten, und er war der Dotter im Ei. Diese gesegneten Juden. Ein Bravo für sie, und nochmals bravo! Schon längst hätten sie aufbegehren müssen.
Er ist ungeheuer vergnügt. Die Dame Cänis beauftragt den Kaufmann Laches, Vespasians Lieblingsspeisen aufzutreiben, und wenn sie noch so teuer sind. Auch soll er für den Nachmittag ein besonders leckeres, nicht zu mageres Mädchen beschaffen, mit dem sich Vespasian vergnügen kann. Aber es scheint, Vespasian hat für diese Aufmerksamkeiten kaum mehr Sinn, er hat sich an die Arbeit gemacht. Schon ist er nicht mehr der alte Bauer, sondern der General, der Feldherr, der mit nüchternem Sinn an die Lösung seiner Aufgabe herangeht. Die syrischen Regimenter sind schweinemäßig verlottert; er wird den Kerls beibringen, was römische Disziplin heißt. Wahrscheinlich wird ihm die Regierung die Fünfzehnte Legion aufhängen wollen, die man jetzt nach Ägypten geworfen hat. Oder die Zweiundzwanzigste, weil sie ohnedies für diesen windigen Alexanderzug in Marsch gesetzt ist. Aber damit wird er sich nicht abspei sen lassen. Man wird mit dem Militärkabinett um jeden einzelnen Mann feilschen müssen. Aber er wird sich nicht scheuen, wenn es nötig ist, auf den Tisch zu hauen und den Herren klar und deutlich Bescheid zu sagen. Meine Herren, wird er sagen, hier geht es nicht gegen primitive Wilde wie die Deutschen, hier geht es gegen ein militärisch durchorganisiertes Volk.
Er wird noch heute im Palais vorsprechen. Schmunzelnd steckt er seine alten Knochen in die Galauniform, von der er noch vor drei Stunden glaubte, er werde sie niemals mehr benötigen.
In der kaiserlichen Residenz empfängt ihn der Kammerherr Gortyn. Er streckt ihm den Arm mit der flachen Hand entgegen, offiziell grüßend. Ein kurzes, steifes Gespräch. Ja, der Herr General kann Seine Majestät sehen, in einer Stunde etwa. Und der Gardepräfekt? Der Herr Gardepräfekt steht ihm sogleich zur Verfügung. Leichthin, gemütlich, wie er an dem Kammerherrn Gortyn vorbeigeht, um mit dem Gardepräfekten zu konferieren, meint Vespasian: »Na, mein Junge, wer frißt jetzt seinen eigenen Mist?«
Zu schnell verging der Winter, ein guter Winter für Josef. Er arbeitete fieberhaft. Er verhöhnte die Technik der Römer, aber er verschmähte nicht, sie nachzuahmen. Er hatte mit hellem Kopf in Rom Erfahrungen gesammelt, er hatte Ideen. Er riß alles Kleinliche aus seinem Herzen, es galt ihm nur eines: die Verteidigung vorzubereiten. Sein Glaube wuchs. Babel, Ägypten, das Königtum der Seleukiden, waren sie nicht ebenso mächtige Reiche gewesen wie Rom? Und dennoch hatte Judäa ihnen standhalten können. Was ist die stärkste Armee vor dem Atem Gottes? Er bläst sie übers Land wie leere Spreu und ihre Kriegsmaschinen ins Meer wie taube Nüsse.
In den Städten, in den Hallen der Synagogen, an den großen Versammlungsorten, in den Rennbahnen von Tiberias und Sepphoris oder auch unter freiem Himmel sammelte Josef die Massen um sich. »Marin, Marin! Unser Herr, unser Herr«, riefen sie ihm zu. Und er, hager und schmal stand er vor der großen Landschaft, stieß das Gesicht mit den glühenden Augen vor, riß sich, die Hände hochgeworfen, dunkle, mächtige Worte der Zuversicht aus der Brust. Dieses Land hat Jahve geheiligt, jetzt ist der römische Aussatz und Würmerfraß darübergekommen. Er muß zertreten, zertilgt, ausgemerzt muß er werden. Worauf vertrauen diese Römer, daß sie so frech herwandeln? Sie haben ihre Armee, ihre lächerliche »Technik«. Man kann sie genau messen, ihre Legionen, sie haben zehntausend Mann eine jede, zehn Kohorten, sechzig Kompanien, dazu fünfundsechzig Geschütze. Israel hat seinen Gott Jahve. Der ist gestaltlos, man kann ihn nicht messen. Aber vor seinem Haus zerknicken die Belagerungsmaschinen, und die Legionen schmelzen in den Wind. Rom hat Macht. Aber seine Macht ist schon vorbei, denn es hat die dreiste Hand ausgestreckt gegen Jahve und seinen Erwählten, an dem er so lange Wohlgefallen hat, gegen seinen Erstgeborenen, seinen Erben: Israel. Die Zeit ist
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