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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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alle Ihre guten Eigenschaften ohne Ihre schlechten.« Vespasian schnaufte stark, dann erwiderte er: »Sie haben leider keinen Titus, Exzellenz.«

    Vespasian besichtigte in den Docks von Cäsarea die Kriegsgefangenen, die versteigert werden sollten. Der Hauptmann Fronto, dem das Depot unterstand, hatte eine flüchtige Liste der Gefangenen anfertigen lassen, es waren an dreitausend. Jeder trug ein Täfelchen um den Hals, auf dem seine Nummer sowie Alter, Gewicht, Krankheiten, auch allenfallsige besondere Fähigkeiten vermerkt waren. Die Händler gingen herum, hießen die Gefangenen aufstehen, niederhocken, die Glieder heben, öffneten ihnen den Mund, betasteten sie. Die Händler mäkelten; es war keine gute Ware, das wird morgen eine ziemlich magere Auktion werden.
      Vespasian hatte einige Offiziere mit, auch Cänis, dazu seinen Juden Josef, den er benötigte, um sich mit den Gefangenen besser zu verständigen. Er hatte aus der Beute Anspruch auf zehn Leibeigene, die er sich aussuchen wollte, bevor die gesamte Ware auf den Markt gebracht wurde. Cänis benötigte eine Friseuse und einen gut aussehenden Jungen, der bei Tisch aufwarten konnte. Der praktische Vespasian hingegen wollte sich ein paar kräftige Burschen herausholen, um sie auf seinen italienischen Besitzungen als Landarbeiter zu verwenden.
      Er war guter Laune, machte Witze über die jüdischen Leibeigenen. »Sie sind verdammt schwierig mit ihren Sabbaten, Festtagen, verzwickten Speisevorschriften und dem ganzen Kram. Duldet man es, daß sie ihre sogenannten religiösen Vorschriften ausführen, dann muß man zusehen, wie sie ihr halbes Leben faulenzen; duldet man’s nicht, dann werden sie störrisch. Eigentlich sind sie nur dazu gut, daß man sie an die andern Juden zurückverkauft. Ich habe mich gefragt«, wandte er sich plötzlich an Josef, »ob ich Sie nicht an Ihre Landsleute zurückverkaufen soll. Aber sie haben miserable Preise geboten, sie haben offenbar Überfluß an Propheten.«
      Josef lächelte still und bescheiden. Innerlich lächelte er keineswegs. Aus Gesprächsbrocken, die er aufgeschnappt hatte, folgerte er, daß die Dame Cänis, die ihn nun einmal nicht leiden mochte, hinterm Rücken Vespasians versucht hatte, ihn an den Generalgouverneur Mucian weiterzuverkaufen. Der höfliche, literarisch interessierte Mucian hätte sich bestimmt keine so derben Witze mit ihm erlaubt wie der Marschall. Aber Josef fühlte sich nun einmal diesem Vespasian verbunden. Gott hatte ihn an diesen geschmiedet, hier war seine große Chance. Sein Lächeln, als Vespasian spaßte, ob er ihn verkaufen solle, war dünn, ein wenig verzerrt.
      Man geriet an einen Haufen Weiber. Man hatte ihnen gerade zu essen gegeben; gierig und dennoch sonderbar stumpf schlangen sie ihre Linsensuppe, kauten sie ihr Johannisbrot. Es war der erste ganz heiße Tag, Schwüle und Gestank war ringsum. Den älteren Weibern, die nur mehr zur Arbeit zu brauchen waren, hatte man ihre Kleider gelassen, die jüngeren waren nackt. Ein ganz junges Mädchen war darunter, schlank und doch nicht mager. Sie aß nicht, sie kauerte mit gekreuzten Beinen, die Schultern eingezogen, mit den Händen hatte sie die Fußknöchel umfaßt, sie neigte sich vor, um ihre Nacktheit zu verbergen. So hockte sie, sehr scheu, und schaute aus großen Augen aufmerksam, gehetzt, voll Vorwurf auf die Männer.
      Dem Vespasian fiel das Mädchen auf. Durch die Weiber auf sie zu trat er, hart schnaufend in der Hitze. An den Schultern packte er die Kauernde, bog ihr die Schultern auseinander. Verschreckt, gräßlich verängstigt, sah sie zu ihm hoch. »Steh auf«, herrschte der Hauptmann Fronto sie an. »Lassen Sie sie hocken«, sagte Vespasian. Er beugte sich nieder, hob die Holztafel, die ihr auf der Brust hing, las laut: »Mara, Tochter des Lakisch, Theaterdieners aus Cäsarea, vierzehn Jahre, Jungfrau. Na ja«, sagte er und richtete sich ächzend wieder hoch. »Wirst du aufstehen, Hündin«, zischelte ein Aufseher. Sie verstand offenbar nicht vor Angst. »Ich glaube, du solltest aufstehen, Mara«, sagte sanft Josef. »Laßt sie doch«, sagte halblaut Vespasian.
      »Wollen wir nicht weitergehen?« fragte die Dame Cänis. »Oder willst du sie nehmen? Ich weiß nicht, ob sie sich zur Kuhmagd eignet.« Die Dame Cänis hatte nichts dagegen, daß Vespasian sich vergnügte, aber sie liebte es, selber die Objekte dieser Vergnügungen auszusuchen. Das Mädchen war jetzt aufgestanden. Eirund, zart und klar hob sich das

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