Der jüdische Krieg.
Gesicht aus den langen, sehr schwarzen Haaren, der Mund, vollippig, mit großen Zähnen, sprang leicht vor. Hilflos, nackt, jung, erbärmlich stand sie, den Kopf hin und her ruckend. »Fragen Sie sie, ob sie was Besonderes kann«, wandte sich Vespasian an Josef. »Der große Herr fragt, ob du eine besondere Kunst kannst«, sagte Josef freundlich und behutsam zu dem Mädchen. Mara atmete heftig, in Stößen, sie sah Josef aus ihren langen Augen dringlich an. Plötzlich legte sie die Hand an die Stirn und verneigte sich tief, aber sie antwortete nicht. »Wollen wir nicht weitergehen?« fragte die Dame Cänis. »Ich glaube, du solltest uns antworten, Mara«, redete Josef dem Mädchen gut zu. »Der große Herr fragt, ob du eine besondere Kunst kannst«, wiederholte er geduldig. »Ich kann sehr viele Gebete auswendig«, sagte Mara. Sie sprach schüchtern, ihre Stimme klang merkwürdig dunkel, angenehm. »Was sagt sie?« erkundigte sich Vespasian. »Sie kann beten«, gab Josef Auskunft. Die Herren lachten. Vespasian lachte nicht. »Na ja«, sagte er. »Darf ich Ihnen das Mädchen schicken?« fragte der Hauptmann Fronto. Vespasian zögerte. »Nein«, antwortete er schließlich, »ich brauche Arbeiter für meine Güter.«
Am Abend fragte Vespasian den Josef: »Beten eure Frauen viel?« – »Unsere Frauen sind nicht gehalten zu beten«, klärte Josef ihn auf. »Sie sind verpflichtet, die Verbote zu halten, aber nicht die Gebote. Wir haben dreihundertfünfundsechzig Gebote, soviel wie die Tage des Jahres, und zweihundertachtundvierzig Verbote, soviel wie die Knochen des Menschen.« – »Das ist reichlich«, meinte Vespasian.
»Glaubst du, daß sie wirklich Jungfrau ist?« fragte er nach einer Weile. »Unkeuschheit der Frau straft unser Gesetz mit dem Tod«, sagte Josef. »Das Gesetz«, achselzuckte Vespasian. »Um Ihr Gesetz, Doktor Josef«, meinte er, »kümmert sich vielleicht das Mädchen, aber bestimmt nicht meine Soldaten. Ich muß sagen, ich habe allerhand zuwege gebracht, wenn die auch in diesem Falle Disziplin gehalten haben sollten. Es sind ihre großen Kuhaugen. Sie schauen aus, als ob alles mögliche dahintersteckte. Wahrscheinlich steckt gar nichts dahinter, wie immer in euerm Land. Alles pathetische Aufmachung, und wenn man näher hinsieht, nichts dahinter. Wie ist das mit Ihrem Orakel, Herr Prophet?« wurde er unvermutet bösartig. »Wenn ich Sie nach Rom geschickt hätte, dann wären Sie vermutlich längst abgeurteilt und könnten in einem sardinischen Bergwerk schuften, statt sich hier mit netten Judenmädchen zu unterhalten.«
Josef kümmerten die Scherze des Marschalls wenig. Er hatte seit geraumer Zeit gemerkt, daß nicht nur er gebunden war. »Der Generalgouverneur Mucian«, erwiderte er mit dreister Höflichkeit, »hätte den Preis für mindestens zwei Dutzend Bergarbeiter bezahlt, wenn Sie mich ihm überlassen hätten. Ich glaube nicht, daß es mir in Antiochia schlecht ginge.« – »Ich habe dich sehr frech werden lassen, mein Jüdlein«, sagte Vespasian. Josef wechselte den Ton. »Mein Leben wäre zerschlagen gewesen«, sagte er heftig, demütig und überzeugt, »wenn Sie mich fortgeschickt hätten. Glauben Sie mir, Konsul Vespasian. Sie sind der Retter, und Jahve hat mich zu Ihnen geschickt, Ihnen das zu sagen, immer wieder. Sie sind der Retter«, wiederholte er hartnäckig, glühend und verbissen. Vespasian schaute spöttisch, leicht ablehnend. Er konnte nicht verhindern, daß ihm die feurigen Versicherungen des Menschen in sein altes Blut gingen. Es ärgerte ihn, daß er immer wieder aus dem Juden solche Prophezeiungen herauskitzelte. Er hatte sich an die geheimnisvolle, zuversichtliche Stimme zu sehr gewöhnt, hatte sich zu fest mit dem Juden verknüpft. »Wenn dein Gott sich nicht sehr beeilt, mein Jüdlein«, hänselte er, »dann wird der Messias etwas wackelig ausschauen, bis er endlich arriviert.« Josef, er wußte selbst nicht, woher er die Sicherheit nahm, erwiderte still und unerschütterlich: »Wenn sich nicht, ehe noch der Sommer auf seiner Höhe ist, etwas ereignet, was Ihre Situation von Grund auf ändert, Konsul Vespasian, dann, bitte, verkaufen Sie mich nach Antiochia.«
Vespasian schleckte diese Worte mit Vergnügen. Aber er wollte es nicht zeigen und lenkte ab: »Euer König David hat sich warme junge Mädchen ins Bett legen lassen. Er war kein Kostverächter. Ich glaube, Kostverächter seid ihr alle nicht. Wie ist das, mein Jüdlein, Sie können da wohl einiges
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