- Der Jünger des Teufels
war. Ich beschloss, am Informationsschalter am Charles de
Gaulle anzurufen. Zum Glück waren meine fehlenden Französischkenntnisse kein
Problem, denn der Mann am Schalter sprach Englisch. »Was kann ich für Sie tun,
Madame?«, fragte er.
Ich erklärte ihm, dass ich vorhatte, heute nach Istanbul zu
fliegen und noch am Abend nach Paris zurückzukehren. »Ist das möglich?«
»Sicherlich gibt es Flüge, Madame, aber es sind noch nicht alle
Schalter der Fluggesellschaften geöffnet.«
»Es gibt keine Möglichkeit, jetzt sofort einen Flug zu
buchen?«
»Sie sind hier am Informationsschalter. Wir buchen keine Flüge.
Sie könnten es aber übers Internet versuchen.«
Ich hatte gesehen, dass mein Hotelzimmer über einen
Internetanschluss verfügte. »Könnten Sie mir sagen, wann heute Morgen der erste
Flug nach Istanbul geht?«
Der Mann seufzte. »Einen Moment bitte.« Er tippte auf die Tastatur
seines Computers. »Turkish Airlines fliegt heute Morgen um acht Uhr dreißig vom
Charles de Gaulle nach Istanbul. Die Maschine landet um halb eins Ortszeit.«
»Und wann fliegt das letzte Flugzeug zurück nach Paris?«
»Die letzte Maschine nach Paris startet heute Abend um zwanzig
Uhr fünfundvierzig Ortszeit in Istanbul und landet um Mitternacht am Charles de
Gaulle. Ich sehe gerade, dass es auf beiden Flügen noch genügend freie Plätze
gibt. Sie könnten am Flughafen ein Ticket kaufen. Der Schalter von Turkish Airlines
ist ab halb sechs geöffnet.«
»Sie haben mir sehr geholfen. Vielen Dank.« Mir blieben noch
etwa zwei Stunden, bis ich am Flughafen sein musste, wenn ich beschloss, in die
Türkei zu fliegen.
Als ich auflegte, rief Josh mich an. »Hallo, wie geht es
dir? Ich habe gehört, dass du gegangen bist, und habe versucht, dich anzurufen,
aber es war besetzt. Du hast bestimmt mit Lou telefoniert, nicht wahr?«
»Ja, gerade eben.«
»Hast du Lust, zu mir rüberzukommen und mir von dem
Gespräch zu berichten?«, schlug Josh vor.
Ich war versucht, dem Verlangen zu widerstehen, aber ich musste
Josh noch einmal treffen, ehe ich mit dem Taxi zum Flughafen fuhr. »Ich bin
gleich da.«
Als ich mein Zimmer verließ, fragte ich mich, wie ich Josh meine
Abwesenheit an diesem Tag erklären sollte. Ich wollte ihm weder sagen, dass ich
nach Istanbul fliegen wollte, noch wollte ich ihm die Gründe für den Flug
verraten. Falls mein Schwindel aufflog, stand er auf der sicheren Seite. Doch
sollte er mir auf die Schliche kommen, würde er sich bestimmt wundern, warum ich
ihm nichts von den Mordfällen erzählt hatte. Doch über dieses Problem würde ich
nachdenken, wenn ich damit konfrontiert wurde.
Ich klopfte an Joshs Tür. Diesmal öffnete er mir in einem T-Shirt
und Shorts. Er trank gerade einen Pulverkaffee, den er sich selbst zubereitet
hatte. »Was darf ich dir anbieten?«, sagte er lächelnd. »Einen edlen Cognac? Einen
zehn Jahre alten Portwein?«
»Wenn Lou diese Ausgaben auf unserer Rechnung entdeckt, hängt
er uns am Washington Monument auf.«
»Sei kein Frosch. Du brauchst einen Schlummertrunk, damit du
noch ein bisschen schlafen kannst.«
»Dann nehme ich einen heißen Kakao.«
»Sollst du haben.«
Als Josh mir den Kakao zubereitete, erinnerte ich mich
daran, dass ich zum ersten Mal seit Davids Tod einem Mann erlaubt hatte, mir
nahe zu kommen. Josh war freundlich, einfühlsam, und er war für mich da. Er war
genau so, wie ich mir einen Freund vorstellte. Natürlich hatte ich nicht
vergessen, dass er mein Kollege war. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, weil
ich das Zusammensein mit ihm genossen hatte. Und ein furchtbar schlechtes
Gewissen, weil ich ihn gleich belügen würde.
Josh reichte mir den Kakao und sagte: »Nun spann mich nicht
auf die Folter. Was hat Lou gesagt?«
»Delon hat
bestätigt, dass ich im Tunnel gezwungen war, die Schüsse abzugeben.«
»Gut für ihn. Hab ich doch gesagt. Und wann fliegen wir
zurück?«
»Lou hat unseren Rückflug für morgen früh um zehn gebucht.
Einen früheren Flug hat er nicht bekommen.«
»Dann bleiben uns noch vierundzwanzig Stunden in Paris«, freute
Josh sich. »Wir könnten in den Louvre gehen oder uns Napoleons Grab im Invalidendom
ansehen. Oder was hältst du davon, wenn wir etwas ganz Verrücktes tun und den
Friedhof Père-Lachaise besichtigen, wo Jim Morrison begraben liegt, der Sänger der
Doors? Dann könnten wir rauf zum Montmartre und durchs Araberviertel spazieren
und in einem kleinen marokkanischen Restaurant essen …«
Jetzt kam das, wovor
Weitere Kostenlose Bücher