- Der Jünger des Teufels
ich mich fürchtete. Es gefiel mir ganz
und gar nicht, Josh zu belügen und ihm die Wahrheit über Istanbul zu
verschweigen, doch ich hatte keine andere Wahl. »Es tut mir wirklich leid, Josh,
aber eine Freundin von mir lebt hier in Paris. Ich möchte sie und ihren
französischen Mann heute treffen. Wir werden den Tag wahrscheinlich zusammen
verbringen.«
Josh sah enttäuscht aus. »Ach so … okay«, sagte er.
»Und was wirst du heute machen, Josh?«
Er zuckte heroisch mit den Schultern. »Mach dir um mich keine
Sorgen. Es gibt genug, das ich tun kann. Laval im Krankenhaus besuchen, zum
Beispiel. Und wenn ich dann noch Zeit habe, besichtige ich die
Sehenswürdigkeiten der Stadt. Wer weiß, vielleicht laufen wir uns sogar in die
Arme. Oder wir könnten uns alle zum Essen treffen?«
Mir stieg die Röte in die Wangen. »Ich … ich glaube, Beth hat
schon Pläne. Hoffentlich macht es dir nichts aus, Josh.«
»Ach, kein Problem. Verstehe ich. Es tut dir nicht leid,
was zwischen uns passiert ist?«
»Nein, natürlich nicht.« Ich strich ihm über den Arm und spürte
meine Schuldgefühle, doch ich konnte Josh nicht die Wahrheit sagen.
»Vielleicht solltest du dich noch etwas hinlegen«, sagte
er.
Er brachte mich zur Tür. Ich hasste es, ihn zu belügen, und
fühlte mich richtig schlecht dabei. Das war nicht meine Art.
»Danke für dein Angebot, mir Paris zu zeigen. Sehr nett von
dir.«
»Klar. Vielleicht klappt’s ein anderes Mal. Leg dich noch
ein bisschen hin. Ich hoffe, du hast mit deinen Freunden einen schönen Tag.«
VIERTER Teil
71.
Charles
de Gaulle Airport, Paris
Es war zehn nach sieben. Trotz der frühen Stunde
herrschte am Flughafen schon reges Treiben. Vor dem Schalter von Turkish Airlines
hatte sich eine Schlange gebildet. Als ich an der Reihe war, buchte ich einen
Hin- und Rückflug, sodass ich noch heute Nacht aus Istanbul zurückkehren würde.
Der Flug riss ein großes Loch in das Budget meiner Mastercard,
und ich hoffte, dass die Reisekosten sich rentierten. Eine Stunde später ging
ich an Bord der Maschine. Ich hatte nur meine große Handtasche mit
Schminkutensilien und frischer Unterwäsche als Handgepäck bei mir. Den
Handkoffer hatte ich in meinem Hotelzimmer zurückgelassen.
Ich wollte gerade mein Handy ausschalten, als ich auf dem Display
sah, dass jemand eine Nachricht hinterlassen hatte. Sie war von Frank. Kate,
ich habe Neuigkeiten. Ruf mich an, sobald du kannst.
Ich fragte mich, worum es sich handelte, doch in dem Moment
begann eine Stewardess, die Sicherheitsvorschriften zu erläutern, und bat alle
Passagiere, ihre Handys auszuschalten. Ehe ich ihrer Aufforderung nachkam,
schrieb ich Frank eine SMS: Bin in den nächsten vier Stunden beschäftigt.
Ruf dich an, sobald ich kann.
Fünfzehn Minuten später fuhr die Maschine der Turkish Airlines
zur Startbahn. Als sie ihre Flughöhe erreicht und ich mein Frühstück beendet
hatte, schaute ich mir eine halbe Stunde lang einen Film an. Erstaunlicherweise
gelang es mir dann sogar, ein paar Stunden zu schlafen. Als ich aufwachte, sah ich
das blaue Wasser des Marmarameeres im Sonnenschein funkeln. Beim Landeanflug
überflogen wir die Meerenge des Bosporus, die Europa von Asien trennt. Ich sah
die goldenen Kuppeln der Moscheen in der Dreizehn-Millionen-Metropole, wie sie
in der Morgensonne strahlen. Die Stadt war gewaltig, einschüchternd.
Und irgendwo in diesem Moloch könnte sich Gemals Nachahmer
herumtreiben.
Ich passierte den Schalter der
Einwanderungsbehörde und den Zoll ohne Probleme. Da ich jedoch nicht offiziell
im Auftrag des FBI ermittelte, stand ich einem Hindernis gegenüber, das ich
irgendwie überwinden musste. Würde es mir dennoch gelingen, den Tatort zu
besichtigen und die Leichen in Augenschein zu nehmen?
Ich erinnerte mich an ein Einstein-Zitat, das Lou einmal
erwähnt hatte: Wenn man ein Problem lange genug betrachtet, kommt die Lösung
von allein. Seit dem frühen Morgen zermarterte ich mir das Hirn, und
plötzlich wusste ich ganz genau, wie ich das Hindernis überwinden konnte.
Im Ankunftsterminal schaltete ich mein Handy ein und bekam
eine Nachricht von meinem Provider: Zum Glück funktionierte mein Handy in
Istanbul. An einem Wechselschalter tauschte ich zweihundert Dollar in
türkisches Geld um. Doch anstatt mein Handy zu benutzen, lief ich durch die
Halle zu einem öffentlichen Telefon und rief Frank an.
Im Flughafen herrschte die sonderbare Mischung aus Hektik und
Ruhe, wie man sie in Mittelmeerstädten
Weitere Kostenlose Bücher