- Der Jünger des Teufels
waren zwanzig Meter hinter mir und
folgten mir entschlossen durch die wogende Menge der Passagiere. Menschen
schrien, als sie sahen, dass die Cops ihre Waffen in den Händen hielten.
Mit eingezogenem Kopf rannte ich, so schnell ich konnte, kreuz
und quer durch die Halle. »Aus dem Weg!«, rief ich.
Die Leute sprangen zur Seite und machten mir den Weg frei. Als
ich nach weiteren fünfzig Metern einen Blick zurückwarf, hatte ich an Vorsprung
gewonnen, denn ich entdeckte die Gesichter meiner Verfolger nicht mehr in der
wogenden Menge. Ich schaute wieder nach vorn und sah zu meiner Rechten einen langen,
breiten Gang mit Türen auf beiden Seiten. Atemlos bog ich in den Gang ein. Auf
halber Höhe begriff ich, dass ich in einer Sackgasse gelandet war.
Als ich den Gang hinunterlief, versuchte ich, die Türen auf
beiden Seiten zu öffnen. Sie waren verschlossen. Auf einem Türschild stand: Reinigungsmaterial Das Symbol auf der letzten Tür wies auf eine Herrentoilette hin. Eine
Damentoilette sah ich nicht. Die Herrentoilette war unverschlossen. Da ich
keinen anderen Ausweg fand, trat ich ein, lief an den Handwaschbecken,
Toiletten und Pissoirs vorbei und hoffte verzweifelt, ein Fenster zu finden,
das groß genug war, um mir die Flucht zu ermöglichen.
In der Toilette schien niemand zu sein. Oben in der Wand entdeckte
ich ein Fenster. Es war mit einem Metallgitter versehen und halb geöffnet, doch
mir blieb nicht die Zeit hinaufzuklettern, denn in diesem Augenblick hörte ich
schnelle Schritte auf dem Gang.
Blitzschnell versteckte ich mich in einer Toilettenkabine
und schloss die Tür. Eine Sekunde später betrat jemand die Toilette.
Ich hörte das Pochen der Schritte auf dem Kachelboden, das Quietschen
von Lederschuhen. Dann holte jemand tief Luft. Ich fluchte und knirschte mit
den Zähnen. Verdammt! Mir hätten höchstens zehn Sekunden gefehlt, um
durch das Fenster zu fliehen.
Dann trat Stille ein. Zwischen der Toilettentür und dem
Türrahmen entdeckte ich einen winzigen Spalt und versuchte hindurchzuspähen.
Zuerst sah ich nichts als weiße Fliesen, doch nach ein paar Sekunden erhaschte
ich einen flüchtigen Blick auf eine blaue Uniform. Mir schwand der Mut. Im
Grunde hatte ich fast damit gerechnet, geschnappt zu werden, doch jetzt, da es
geschah, stieg Verzweiflung in mir auf. Sobald sie mich gefunden hatten, war
ich erledigt.
Ich spähte noch einmal durch den Türspalt und erblickte den
ausgestreckten Arm des Polizisten, den dunklen Schatten einer Waffe und einen
Moment lang sein Gesicht: Es war der kräftige Bursche, den ich vorhin gesehen
hatte, als er sich einen Weg durch die Menge bahnte. Er trat aus meinem
Blickfeld, doch Sekunden später hörte ich, dass er an einer Tür zu meiner
Linken rüttelte. Jetzt gab es für mich keinen Ausweg mehr.
Der Polizist rüttelte an sämtlichen Türen. Ich wich weiter
in die Toilettenkabine zurück und betete.
106.
Außer Atem betrat Officer Chuck Delano mit
gezogener Waffe die Herrentoilette. Er schwitzte, als sein Blick über die
Waschbecken, Pissoirs und Toilettenkabinen glitt.
Delano sah das halb geöffnete Fenster auf halber Höhe der hinteren
Wand. Er war versucht, das Fenster zu überprüfen, doch sein Gefühl riet ihm,
zuerst die Toilettenkabinen zu durchsuchen. Wenn die Frau in die Herrentoilette
geflohen war, hatte ihr sicherlich die Zeit gefehlt, durch das Fenster zu
fliehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich in einer der Kabinen versteckte,
war größer.
Delano hatte seinen Kollegen Maguire abgehängt, als er die Frau
in den Gang hatte einbiegen sehen, und Maguire gebeten, ihm zu folgen. Wo
blieb der Kerl? Delano umklammerte die Waffe mit beiden Händen und ging
langsam voran, als er plötzlich ein Geräusch hörte und herumwirbelte.
Er hatte mit Maguire gerechnet, stattdessen sah er einen
Unbekannten die Toilette betreten. Er hatte einen dünnen, blonden Bart, trug
eine Wollmütze auf dem Kopf und einen Rucksack auf dem Rücken. Der Mann grinste
– und dann schoss sein Arm plötzlich nach vorn. Delano stöhnte, als etwas
Spitzes sein Herz durchbohrte.
Als er den Blick senkte, sah er zu seinem Entsetzen die
dünne Nadel, der Stahl zwischen seinen Rippen schimmerte. Dann erst kam der
Schmerz mit voller Wucht – ein unerträglicher Schmerz, der durch seinen
Brustkorb fuhr. Delano stieß einen dumpfen Schrei aus und brach zusammen.
Der Jünger hielt sich nicht damit auf, die Nadel aus der Wunde
zu ziehen. Stattdessen beugte er sich hinunter und riss
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