- Der Jünger des Teufels
wischte mir über die Augen und schaltete das
Licht aus. Es ist vorbei, versuchte ich mir einzureden, als ich in der
Dunkelheit lag. Der Mörder von David und Megan hat mit seinem Leben bezahlt.
Aber Melanie hatte Recht. Ich fühlte mich nicht besser.
Doch mir war klar, dass ich die Vergangenheit hinter mir
lassen und versuchen musste, mein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Ich
wollte, dass diese Höllenqualen aufhörten. Ich wollte wieder ein normales Leben
führen. Ich wollte Frieden. War das zu viel verlangt?
Ich lag auf dem Bett, hielt meine Tränen zurück und hoffte,
Erlösung von meinem Schmerz zu finden, wusste aber, dass es nicht geschehen
würde. Und dann passierte etwas Wunderbares: Ich schloss die Augen und schlief
so tief und fest wie seit Monaten nicht.
13.
Virginia
Buck Ryan liebte seinen Job als Gefängniswärter,
und vor allem liebte er die Sonderaufträge nach den Hinrichtungen. Es war meist
eine schöne Abwechslung, die Leichen der Delinquenten in die Gerichtsmedizin
nach Richmond zu fahren, da Ryan das Gefängnis dann für ein paar Stunden
verlassen konnte, aber heute Nacht war alles anders. Erstens schneite es, und
die Interstate 95 nach Richmond zog sich wie ein weißes Band in die Ferne, das
nur vom Licht der Straßenlaternen erhellt wurde. Zweitens war sein Beifahrer
heute Nacht der ewige Nörgler, Jackie Dole, der einem gehörig auf die Nerven
gehen konnte.
Ryan umklammerte das Lenkrad des Ford-Lieferwagens, als er
mit kaum zwanzig Meilen die Stunde über die Interstate 95 fuhr. Dole blickte
mit unglücklicher Miene auf die dicken Schneeflocken.
»Bei diesem Tempo können wir von Glück sagen, wenn wir zum
Frühstück in Richmond sind«, meckerte er.
Ryan knurrte. »Kann ich auch nichts für. Bei dem Wetter muss
ich langsam fahren. Dann kommen wir wenigstens lebend an und nicht wie unser
Freund da hinten.«
Ryan schaute auf die verschneiten Nadelwälder zu beiden
Seiten der I-95, während die Scheibenwischer gegen die dicken Flocken
ankämpften. Die Straße war menschenleer, und nur die hellen
Scheinwerferstrahlen beleuchteten die verschneite Straße und hüllten sie in
schauriges Licht. »Sieht so aus, als wären wir die einzigen Menschen auf diesem
Planeten. Ganz schön gruselig da draußen, was?«
Jackie Dole schien das egal zu sein. Er hatte die
Innenbeleuchtung eingeschaltet und blätterte in den Sportseiten der USA
Today. »Die Reds haben verloren. Diese Arschgeigen. Ich hab zehn Dollar auf
sie gesetzt.«
»Keine guten Nachrichten?«
Verärgert ließ Dole die Zeitung sinken. »Doch, mein Hund hat
ein Geschwür am Sack. Der Tierarzt meint, ihm müssten die Eier entfernt werden.
Die Operation kostet mich dreihundert Dollar und … eh, was zum Teufel war das
denn?«
Sie hörten beide den dumpfen Schlag, der aus dem Heck des Wagens
drang. Ryan bremste vorsichtig. »Hörte sich an, als wäre etwas gegen unseren
Wagen geknallt.«
»Meinst du, Kinder bewerfen uns mit Schneebällen?«
»Um diese Zeit? In diesem Niemandsland? Mann, Dole!«
»Aber es hat sich doch so angehört! Da, schon wieder«,
sagte Dole.
Sie hörten erneut, das etwas gegen den Lieferwagen schlug.
»Was geht hier vor sich?«, sagte Ryan. Er zog die Pistole
aus dem Halfter und wollte aussteigen.
»Was willst du mit der Knarre?«, fragte Dole. »Der Typ
hinten im Wagen tut uns nichts mehr.«
Doch Ryan hörte gar nicht hin, als er die Tür aufstieß,
sodass ihm Schnee ins Gesicht fegte. »Mein Gott, was für eine beschissene
Nacht.«
Er stieg aus. Dole folgte ihm. Beide Männer gingen langsam zum
Heck des Wagens. Ryan warf einen Blick auf die verlassene Landschaft ringsum
und die riesigen Kiefern zu beiden Seiten der Straße, die mit einer dicken
Schneeschicht bedeckt waren. Es sah wirklich so aus, als wären sie die einzigen
Menschen auf der Welt. Dole überprüfte die Hecktür – und bekam einen Schock.
Sie war geöffnet. »Ach du Scheiße!«
»Was ist los?«
»Das ist los.« Ryan zeigte auf die offene Tür. »Sie muss im
Wind geschlagen haben. Ich bin aber ganz sicher, dass ich sie abgeschlossen
habe.«
»Sieht mir aber nicht so aus.« Dole umklammerte den
eiskalten Türgriff und riss die Tür auf. Auf der Ladefläche lag der weiße
Leichensack, der wie der Leichnam des hingerichteten Gefangenen geformt war. »Der
Jünger des Teufels, hm? Jetzt sieht er nicht mehr so gefährlich aus.«
»Nee.«
»Ich schließ die Tür jetzt ab.«
Ryan kratzte sich am Kopf. »Wie ist die Tür aufgegangen?«
»Das
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