- Der Jünger des Teufels
Mr Clay.
31.
Bailys’
Crossroads, Alexandria, Virginia
Der Jünger war den ganzen Morgen im
Einkaufszentrum unterwegs gewesen. Zur Mittagszeit hatte er fast alles gekauft,
was er für seine Reise benötigte: den Koffer, die Kleidung – jede Menge Sachen,
denn er brauchte viel mehr Verkleidungen –, mehrere Packungen Haartönungen,
Brillen, fünf verschiedene Sonnenbrillen, den Rasierapparat, das Haarpflegeset
von Vidal Sassoon sowie Lebensmittel. Die Perücken und das Make-up
hatte er vorher schon besorgt. Das ganze Zeug hatte ein kleines Vermögen
gekostet. Der Jünger warf die Tüten in den Wagen und fuhr zurück zu seiner
Wohnung in Alexandria.
Er breitete alle Einkäufe auf dem Bett aus, wozu auch die wichtigsten
Utensilien gehörten: Die Waffen, die er unbedingt brauchte. Die meisten
Menschen glaubten, Revolver und Messer seien die idealen Tötungswerkzeuge, doch
der Jünger sah sich einem großen Problem gegenüber. Er wollte ins Ausland
fliegen, und die Sicherheitsvorschriften waren heutzutage sehr streng.
Um diesem Problem entgegenzuwirken, benutzte er eine schmale,
etwa sieben Zentimeter lange Insulinspritze mit einem Inhalt von 40 I E , wie Diabetiker
sie benutzten, denen erlaubt war, ihre Spritzen und Medikamente mit an Bord zu
nehmen. Der Jünger hatte die Insulinampullen geleert und mit Benzodiazepin
gefüllt. Doch er brauchte noch eine andere Waffe, die den Alarm der
Metalldetektoren am Flughafen nicht auslöste, und er hatte die perfekte Wahl
getroffen. Die Waffe war ideal zum Töten und konnte nicht aufgespürt werden.
Er nahm eine lange, braune Papiertüte, die er vom Einkauf mitgebracht
hatte, und schüttete den Inhalt aus: acht schmale, graue Plastikstricknadeln.
Plastik würde den Alarm der Metalldetektoren nicht auslösen. Er konnte die
dünnen Nadeln innen in die Kanten des Bodens schieben und die Drahtstangen
ersetzen, die die Reisetasche formten. Auf diese Weise würde niemand sie
entdecken.
Die verschiedenen Schlachtermesser, die er brauchte, würde er
kaufen, sobald er an seinen jeweiligen ausländischen Zielen eintraf, doch er
war nicht gerne unbewaffnet. Die Nadeln waren seine Ersatzwaffe. Er grinste,
als er eine gelbe Wassermelone aus einer Einkaufstüte nahm und die köstliche
Frucht aufs Bett legte.
Der Jünger nahm eine der Stricknadeln in die Hand, hob sie über
den Kopf und stach sie in die Frucht. Die Nadel durchdrang mühelos die harte
Rinde der Melone und trat auf der anderen Seite wieder aus. Die Melone hätte
auch das Herz eines Menschen sein können. Die Nadel war so scharf wie ein
Stilett.
Perfekt.
Als Nächstes ging er ins Badezimmer, öffnete seinen
Kulturbeutel und nahm die Spritze und die beiden mit Botox gefüllten Ampullen
heraus. Nachdem er die Spritze mit der farblosen Flüssigkeit aufgezogen hatte,
presste er mit Daumen und Zeigefinger die faltige Haut auf seiner Stirn
zusammen.
Er stach die Spritze mit dem Botox in regelmäßigen
Abständen in die Haut und wischte die winzigen Blutstropfen mit einem
Wattebausch weg. Dann bearbeitete er die Haut neben den Augen und die Falten in
seinen Wangen. Das alles gehörte zu seiner Verkleidung.
Nach zehn Minuten war er fertig und betrachtete sich im
Badezimmerspiegel.
Ein tolles Zeug, dieses Botox. Wenn er morgen seine
Flugreise antrat, würden die Furchen auf seiner Stirn, seine Krähenfüße und die
Falten in den Wangen größtenteils verschwunden sein. Auf diese Weise würde er
fast zehn Jahre seines Lebens tilgen und wie ein anderer Mensch aussehen.
Zwei Stunden später fuhr er zum Reisebüro in Arlington.
Er hasste es, Flüge übers Internet zu buchen. Es ging nichts über die persönliche
Begegnung.
»Guten Abend, Sir. Was kann ich für Sie tun?«
Die blonde junge Frau hinter dem Schalter hatte gerade
einen Kunden bedient; als sie frei wurde, bot sie ihm einen Stuhl an, und er
setzte sich. »Ich möchte gerne einen Hin- und Rückflug nach Istanbul buchen. Mit
einem mindestens zweitägigen Zwischenstopp in Paris.«
»Möchten Sie ab Baltimore fliegen?«
»Wenn es möglich ist.«
Die Blondine tippte auf die Tastatur. »Es wird vielleicht
nur einen Anschlussflug ab New York geben.«
»Das ist okay.«
Die blonde Frau lächelte entzückt. »Istanbul, wow! Hört
sich exotisch an.«
»Es ist eine unglaubliche Stadt, voller Geschichte und
Intrigen«, schwärmte der Jünger, dessen Wangen noch von den Botoxspritzen
schmerzten.
»Ist es eine Geschäfts- oder Urlaubsreise?«
Der Jünger hatte Mühe, der
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