Der Jünger
einen klaren Blick zu bekommen.
“Gehen Sie. Lassen Sie mich.”
“So können Sie nicht wegfahren. Sie sind ganz offensichtlich krank. Lassen Sie sich helfen”, sagte der Fahrgast und griff durchs Seitenfenster, um Jay die Hand auf den Arm zu legen.
“Keine Hilfe.”
Jay schob seine Hand weg, legte einen Gang ein und fuhr aus der Parklücke, ohne auf den Verkehr hinter sich zu achten. Nur die Geistesgegenwart der anderen Fahrer auf der Straße bewahrte ihn davor, einen größeren Zusammenstoß zu verursachen.
Jay schlängelte sich durch die Straßen und nahm weder Ampeln noch die anderen Wagen wahr. Als die Ambulanz ankam, war er längst verschwunden.
Den restlichen Abend verbarg sich Jay jedes Mal in einer Seitengasse oder bog in die nächste Querstraße ein, wenn er ein Polizeiauto erblickte. Der Kopfschmerz war inzwischen einem dumpfen Pochen gewichen. Nicht zum ersten Mal sehnte er sich nach seinem bequemen Apartment. Ein heißes Bad und ein sauberes Bett klangen paradiesisch angesichts der Matratze und der Campingausrüstung im Lagerhaus.
Doch dann dachte er an Jesus und daran, welche Qualen er ausgestanden hatte, bevor er zu seinem Vater in den Himmel gekommen war. Jay befahl sich, durchzuhalten. Er durfte nicht an seine eigenen Probleme denken. Noch immer hieß es, weitere Jünger um sich zu sammeln, andere mussten versorgt werden, viel war noch zu tun, bevor er heim ins Paradies gehen konnte.
Er schaltete das Freizeichen aus, kramte in seiner Jackentasche nach den Einnahmen des Tages und zählte sie. Zwei Hunderter und fünfundvierzig Dollarscheine. Das war nicht gerade die größte Beute, die er je gemacht hatte, doch es würde ihm über die nächsten Tage helfen, die er damit verbringen wollte, die restlichen Männer zu suchen. Sie waren dort draußen und warteten nur darauf, dass er sie heimbrachte.
Er fuhr weiter, bis er zu einem Supermarkt kam. Dann parkte er unter einer kaputten Straßenlampe und betrat den Laden mit eingezogenem Kopf, um sicherzugehen, dass ihn die Kameras nicht erfassten.
Der permanente Kopfschmerz, mit dem er langsam zu leben lernte, sorgte dafür, dass er seinen Einkauf schnell hinter sich brachte. Er nahm das Übliche – Fleischkonserven, Cracker, Wasserflaschen –, doch heute Abend fügte er noch Bananen zur Abwechslung hinzu. Auf dem Weg zur Kasse dachte er an Matthews schlechte Verfassung und warf dazu noch eine Erste-Hilfe-Ausrüstung in die Einkaufskarre. Matthew hatte sich bereits dichte Haarbüschel ausgerissen, und Jay befürchtete, dass sich die Wunden infizieren könnten. Es ging ihm an die Nieren, dass Matthew so gestört war. Wenn ihm das vorher klar gewesen wäre, hätte er sich jemand anderen gesucht.
An Bartholomäus wollte er nicht denken. Dieser ganze Vorfall war von Anfang an eine Tragödie gewesen, und er machte sich Vorwürfe, dass er sich so geirrt hatte. Zu denken, nur weil ein Mann namens Bartholomäus in sein Taxi stieg, sei es derjenige, den Gott für ihn ausgewählt hatte, war unüberlegt gewesen. Von nun an würde er sein Gefolge auf der Straße suchen, so, wie er es beabsichtigt hatte. “Die Demütigen mögen die Erde regieren”, hatte der Herr verkündet. Daran sollte Jay sich ab jetzt erinnern.
Er bezahlte seine Lebensmittel und beeilte sich, aus dem Laden zu kommen. Bevor er nach Hause fuhr, musste er noch einen Zwischenstop einlegen. Jay wollte sichergehen, dass Gott Barts Tod als einen Unfall anerkannte, und der beste Ort für ein solches Gespräch war das Haus Gottes.
Pater Patrick war seit siebenunddreißig Jahren Priester. Mit Stolz konnte er von sich behaupten, alle Namen seiner regelmäßigen Besucher aus der Gemeinde zu kennen. Doch der Mann, der auf dem Boden vor dem Altar niedergestreckt lag, war ihm fremd.
Er hatte ihn fast zehn Minuten beobachtet. In dieser Zeit hatte der Mann geweint, gefleht, geflucht und gestöhnt, dabei war nicht ein einziges Wort aus seinem Mund gekommen, das Pater Patrick einigermaßen verstanden hätte. Eigentlich wollte er sich nicht einmischen, aber der Mann schien krank zu sein, möglicherweise unfähig, sich von der Stelle, auf der er lag, wieder zu erheben. Deshalb trat er aus dem Schatten vor und ging auf ihn zu.
“Mein Sohn … Fehlt Ihnen etwas?”, erkundigte er sich.
Jay fuhr zusammen, als hätte man auf ihn geschossen. Er rollte sich auf den Rücken, seine Augen ängstlich aufgerissen. Selbst als er feststellte, dass es sich bei dem anderen Mann um einen Priester handelte,
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