Der Jünger
entspannte er sich nicht.
“Lassen Sie mich in Ruhe”, murmelte er und rappelte sich auf.
“Tut mir leid”, sagte Pater Patrick. “Ich wollte nicht stören. Es sah nur so aus, als bräuchten Sie Hilfe.”
Jay fühlte sich vollkommen durcheinander. Er war müde und fühlte sich schlecht – so schlecht –, doch er wagte es nicht, sich jemandem anzuvertrauen. Trotzdem handelte es sich hier immerhin um einen Diener Gottes. Und wer könnte ihn besser verstehen?
Er sah wieder zu dem Priester hoch, dann taumelte er zu einer Kirchenbank und sank darauf.
Pater Patrick ging zu ihm hinüber, legte ihm den Arm um die Schulter und hielt ihn fest, als wäre er ein Kind.
“Brauchen Sie medizinische Hilfe?”, fragte er.
Jay schüttelte den Kopf. “Nein, nicht so, wie Sie meinen. Ich sterbe, Vater, und das ist in Ordnung. Ich bin schon einmal gestorben. Es ist wirklich nicht schlimm.”
Pater Patrick tat der Mann leid. Seine Aufmachung war merkwürdig – wirkte sogar etwas fremdländisch –, doch seine Art zu reden passte nicht dazu.
“Dann haben Sie den Herrn kennengelernt?”
Jay verzog das Gesicht und seine Augen füllten sich mit Tränen. Erneut begannen die Schmerzen in seinem Kopf zu pochen. “Den Herrn? Nein, nicht, wie ich sollte, beim ersten Mal habe ich ihn nicht getroffen, aber ich hoffe, diesmal meine Schuld beglichen zu haben.”
Pater Patrick runzelte die Stirn. “Wovon reden Sie?”
“Ich war nicht im Himmel. Ich habe die Hölle gesehen.” So leise, dass der Priester sich vorlehnen musste, um ihn zu verstehen, fügte er dazu: “Und ich habe die Stimme des Teufels gehört.”
Pater Patrick zuckte zusammen. Er konnte sich nicht vorstellen, was für ein Leben dieser Mann hinter sich haben musste, um so etwas durchzumachen. Obwohl er wusste, dass sein Glauben stark genug war, um ihn in diesem Dasein zu beschützen, spürte er plötzlich die Gegenwart des Bösen.
“Mein Sohn, ich werde mit Ihnen beten.”
Jay stand mit zittrigen Beinen auf. “Danke, Pater, aber es wäre besser, wenn Sie
für
mich beten würden.”
Pater Patrick seufzte und stand ebenfalls auf. “Natürlich, das tue ich. Wie heißen Sie?”
“Nennen Sie mich einfach 'den Sünder'. Er wird wissen, wer ich bin.”
Und damit ging Jay davon.
Eine Woche später
January saß an ihrem Schreibtisch, als das Telefon klingelte. Abwesend griff sie nach dem Hörer, in Gedanken immer noch mit dem Bericht beschäftigt, den sie für die Abendnachrichten vorbereitete.
“Ms. DeLena?”
“Ja?”
“Hier ist Sophia Harlow von Sheltering Arms. Erinnern Sie sich? Wir haben uns letztes Jahr bei der Wohltätigkeitsveranstaltung getroffen.”
“Ja, natürlich”, erwiderte January, “ich erinnere mich. Was kann ich für Sie tun?”
Die Frau lachte. “Das sieht Ihnen ähnlich, und das ist auch einer der Gründe, warum ich Sie anrufe. Sie sind mit Ihrer Hilfsbereitschaft für uns alle ein glänzendes Vorbild, und ich habe die Ehre, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie vom Vorstand aller drei Wohltätigkeitsvereine der Dreistaatenregion als Frau des Jahres gewählt wurden.”
Das war einer der seltenen Momente, wo January keinen Ton herausbekam.
“Sie machen Scherze”, sagte sie schließlich.
Sophia lachte. “Nein, durchaus nicht. Die feierliche Übergabe wird während unseres jährlichen Wohltätigkeitsballes stattfinden, das ist der Black & White Ball am kommenden Samstag. Mir ist klar, dass es etwas kurzfristig ist, aber aus irgendeinem Grund gehört das zur Tradition. Die Ausgezeichneten erfahren es nie früher als eine Woche vor dem Ereignis, deshalb würde ich mir niemals erlauben, diese Gewohnheit zu durchbrechen.”
“Ich weiß nicht, was ich sagen soll.” January unterdrückte den Drang zu kichern. “Ich fühle mich geehrt.”
“Großartig! Eine offizielle Benachrichtigung mit allen Informationen über Ort und Zeit wird Ihnen heute Abend zugeschickt. Es sollte bei Ihnen angekommen sein, wenn Sie zu Hause eintreffen. Natürlich sind Sie herzlich willkommen, eine Begleitung mitzubringen, entweder Ihren Ehemann, Lebenspartner oder einfach einen Freund.”
Automatisch dachte January an Ben …
“Vielen Dank”, sagte sie.
“Das war's dann. Wir sehen uns Samstagabend, und noch einmal … Herzlichen Glückwunsch!”
“Danke, vielen Dank.”
Eine der Produktionsleiterinnen kam an ihrem Schreibtisch vorbei, als sie gerade auflegte. “Wer hat denn dieses Lächeln auf Ihr Gesicht gezaubert?”, wollte sie
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