Der Jünger
Jünger zu seinem Gefolge nach Hause zu bringen.
11. KAPITEL
K urz nach Tagesanbruch begann es zu regnen. Das Geräusch auf dem Dach des Lagerhauses war ohrenbetäubend. Jedes Mal, wenn es donnerte, krallte Matthew die Finger in sein Haar und heulte.
Simon Peters saß vollkommen unbewegt mit dem Rücken zur Wand da, als befände er sich im Koma. Seine Hosen waren voller Urinflecken, und der starke Geruch nach Fäkalien in der Kammer hätte jedem Mann, der weniger abgehärtet war als die Anwesenden, den Atem genommen.
Andy hatte seine unbedarfte Fröhlichkeit verloren. Nicht einmal mehr das Spielen an sich selbst konnte seine Angst mindern. Das Unwetter rüttelte an den noch verbliebenen Außenfenstern des Lagerhauses. Selbst die Ratten schienen von dem Unwetter beunruhigt und liefen unsicher umher, um sich einen besseren Unterschlupf zu suchen.
Tom Gerlich bewahrte sich seinen gesunden Menschenverstand einzig und allein durch seine Willensstärke. Die Kleidung aus dem Armeeüberschuss, die er trug, war von Anfang an zerschlissen gewesen, doch mehr oder weniger sauber. Inzwischen stank er wie ein Soldat, der wochenlang im Dschungel verbracht hatte, ohne zu baden oder sich umzuziehen. Mit diesen Männern angekettet zu sein, erinnerte ihn sehr an die Internierung mit seinen Kameraden in einem vietnamesischen Kriegsgefangenenlager.
Der Mann, der sich Jimbo nannte, schien sich im Schockzustand zu befinden. Er starrte die anderen fortwährend so an, als sähe er irgendwelche Tiere im Zoo. Es schien, als könne er nicht begreifen, dass er hier war.
Und dann gab es noch John. Er hatte nicht aufgehört zu fluchen, seit er hierher gekommen war und entdeckt hatte, dass er angekettet an der Wand hing.
Tom beobachtete aufmerksam die Tür und wartete darauf, dass ihr Entführer zurückkam. Er wusste, dass der Mann verrückt war, hoffte jedoch, einen schwachen Punkt in seinem irrsinnigem Denken zu finden, an dem er ansetzen könnte. Wenn er nur erfahren würde, weshalb sie alle hierher gebracht wurden, könnte ihm das womöglich helfen, sie hier herauszuholen.
Wieder donnerte es, diesmal so laut, dass es Tom in den Ohren dröhnte. Er zuckte zusammen und fluchte leise vor sich hin. Auch in ihm machte sich Panik breit. Er hatte sich seit Jahren nicht mehr so hilflos gefühlt, und das machte ihn fertig.
Dann blickte er auf.
Der Taxifahrer stand an der Tür.
“Guten Morgen, meine Kinder”, sagte Jay.
Tom sah, dass sich die Lippen des Mannes bewegten, doch wegen des tosenden Gewitters hörte er nicht, was er sagte.
“Warum sind wir hier?”, rief Tom.
Jay achtete nicht auf ihn. Stattdessen stellte er neben jeden Mann einen kleinen Beutel mit Esswaren und Wasser, immer darauf bedacht, ihnen nicht zu nahe zu kommen.
Jim griff nach den Lebensmitteln. “He, Mann, ich weiß nicht, was du hier abziehst, aber ich muss das Klo benutzen.” Jim hätte ebenso gut stumm bleiben können, denn seine Bitte wurde nicht erhört. Der Taxifahrer schenkte ihm nicht einmal einen Blick.
John Marino war sechsundzwanzig Jahre alt. Mehr als zehn Jahre war er auf sich allein gestellt gewesen und immer stolz darauf, überlebt zu haben. Doch diese Gefangenschaft hier übertraf alles, was er bisher durchgemacht hatte. Er wusste nicht, was noch geschehen würde, aber es konnte nichts Gutes sein. Dieser Spinner, der das alles hier zu verantworten hatte, lief in einem merkwürdigen Kostüm herum. Was war mit ihm los? Er wollte, dass sie aßen, kümmerte sich aber nicht darum, ob sie sich in die Hosen machten?
“Ich auch”, meldete sich John.
“Um Gutes zu tun, müssen wir manchmal auch Leiden in Kauf nehmen”, erwiderte Jay.
Tom Gerlich schlug so heftig gegen die Wand, dass der Metallkörper vibrierte. “Wir? Wir? Wieso zum Teufel redest du von 'wir'? Du bist nicht wie ein Tier angekettet, musst in deiner eigenen Scheiße schlafen und dich fragen, ob bald jemand auftaucht, der dich umbringt!”
Jay wandte sich um und blickte ihn wütend an. “Wieder zweifelst du an mir, Thomas. Und wiederum sage ich dir, dass ich nur meines Vaters Werk vollende.”
“Deines Vaters? Wer war das? Marquis de Sade?”
“Beschmutze den Namen des Allmächtigen nicht!”, rief Jay.
Gerlich starrte ihn an.
“Meinst du das ernst? Glaubst du tatsächlich, dass du Gottes Sohn bist?”
Wenn Jay irgendetwas zum Werfen greifbar gehabt hätte, hätte er es geradewegs diesem ungläubigen Thomas ins Gesicht geschleudert.
“Ich habe nie behauptet, der Sohn des
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