Der Jünger
Ben.
“So schlecht kannst du doch gar nicht sein.”
“Na ja, wir werden sehen, was du nachher darüber sagst.”
“Bist du fertig?”, fragte sie, während sie aufstand.
Er zog die Augenbrauen zusammen und setzte einen strengen Blick auf. “Mit dir … Niemals.”
Diesmal lachte sie.
“Weißt du was, Detective? Du könntest gefährlich werden.” Dann wurde sie plötzlich ernst. “Apropos gefährlich, hattet ihr schon Glück bei der Suche nach unserem Mann?”
“Der Straßenprediger? Leider nicht. Aber die ganze Abteilung ist darauf angesetzt. Streifenpolizisten, Sittenpolizei, Mordkommission … Sie haben alle ein Bild. Wir haben Brady Mitchells Zeichnung mit dem Mann aus dem Fernsehbericht verglichen. Es ist derselbe Typ, auf jeden Fall. Dann haben wir von einer Nahaufnahme aus dem Film Kopien gemacht und sie zusammen mit Bradys Zeichnung verteilen lassen. Wenn ihn einer sieht, wird er ihn sofort erkennen.”
January wurde nervös. Sie sagte sich, dass es nichts ändern würde, wenn die Polizei erfuhr, dass sie sich daran erinnerte, wo sie den Sünder gesehen hatte. Wenn sie ihn suchten, suchten sie überall. Trotzdem würde sie vorsichtshalber fragen.
“Ihr bezieht auch die Parkanlagen mit ein? Obdachlose streifen oft in den Grünanlagen herum, vor allem während der Sommermonate. Da ist es angenehm kühl.”
“Es wird überall gesucht, glaub mir.”
“Gut. Dann lass uns tanzen.”
Der plötzliche Themenwechsel hätte ihn misstrauisch machen sollen, doch Ben war zu sehr daran interessiert, January in die Arme zu nehmen, um darauf zu achten. “Sobald ich dir beim Abräumen geholfen habe, bin ich ganz dein”, entgegnete er.
Es dauerte nicht lange, bis das restliche Essen weggetragen und der Geschirrspüler beladen war. Die ganze Zeit über musste January an ihr Geheimnis denken. Es schien dumm, sogar kindisch, es für sich zu behalten. Der Sünder war offensichtlich gefährlich, doch ihr Instinkt ließ sie befürchten, dass Ben North sie von weiteren Recherchen abhalten würde, wenn sie ihm alles erzählte, und das würde definitiv ihrem Ansehen als Journalistin schaden.
Sie durfte sich weder von ihrer Angst noch von den Verhaltensregeln anderer behindern lassen, wenn sie zu ihrer Story kommen wollte. Also schwieg sie, nahm sich jedoch vor, es ihm sofort zu sagen, falls sich etwas ändern sollte und sie es dadurch für notwendig hielt. Sie kümmerte sich um den Abwasch und holte ihre Schuhe.
“Vergiss die Kampfstiefel nicht!”, rief Ben ihr hinterher, als sie den Flur entlangging und in ihrem Schlafzimmer verschwand.
“Habe Vertrauen”, entgegnete sie, stieg in ein Paar flache Slipper und blickte in den Spiegel.
Die Frau mit den dunklen Augen und Haaren, die ihr entgegenblickte, schien ruhig und sicher. Doch January wusste, dass es nicht so war. Sie fühlte sich nervös und zittrig. Aber nicht der Tanzunterricht machte sie nervös, sondern das, was danach kam. Sie würden sich lieben. Einerseits konnte sie es kaum erwarten, andererseits fürchtete sie sich davor. Sie wollte nicht verletzt werden. Aber Ben war es wert, ein Risiko einzugehen.
“Ich komme jetzt, ob du bereit bist oder nicht!”, rief sie.
Die Musik spielte bereits. Es war wildes Geklimper. Sie verdrehte die Augen.
“Du machst wohl Witze”, sagte sie, als sie das Wohnzimmer betrat.
“Warum?”, wollte er wissen.
“Black & White Ball, Smokings, Abendkleider, Gold, Diamanten, genug Haarspray, um einem Hurrikan zu trotzen, und du willst lernen, nach so was zu tanzen?”
“Na ja … Ich dachte …”
Sie nahm die CD wieder aus dem Gerät und zeigte in die Mitte des Zimmers. “Stell dich bitte mal da hin.”
Er tat, wie ihm geheißen, und als die ersten Takte einer Art Fahrstuhlmusik, wie er so etwas nannte, erklang, verzog er das Gesicht. Einen Smoking tragen
und
diese Musik? Er musste wahnsinnig sein.
Dann betrachtete er die Frau, die auf ihn zukam, und seufzte. Sicher war er wahnsinnig – wahnsinnig verliebt.
Sie schmiegte sich in seine Arme, legte die eine Hand in seine und die andere auf seine Schulter.
“Das ist ein Walzer”, sagte sie.
Als sie sich nicht von der Stelle rührten, zog sie die Augenbrauen hoch.
“Du bist der Mann, das heißt, du musst führen, klar?”
Ben stand plötzlich der Schweiß auf der Stirn. “Zum Teufel auch”, murmelte er. “Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Das hier wird eine Katastrophe.”
Er trat mit dem linken Fuß zuerst zur Seite, rammte ihr dabei
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